Nach gut 24 Stunden zähen Ringens haben CDU, CSU und SPD am Mittwoch bei ihren Verhandlungen zur Bildung einer neuen deutschen Regierung einen Durchbruch geschafft: Die Unterhändler einigten sich auf einen Koalitionsvertrag und die Verteilung der Ministerien. Eigentlich hätten die Verhandlungen schon am Sonntag abgeschlossen sein sollen, sie mussten dann aber zwei Mal verlängert werden.
Die SPD ließ sich ihre in den eigenen Reihen umstrittene Beteiligung allerdings teuer abkaufen. So können die Sozialdemokraten wie schon in der großen Koalition von 2005 bis 2009 die prestigeträchtigen Ressorts für Finanzen, Außenpolitik und Arbeit besetzen. Zudem sicherte sich die SPD die Ministerien für Justiz, Familien und Umwelt.
SPD-Chef Martin Schulz soll nach Medienberichten das Amt des Parteivorsitzenden an Fraktionschefin Andrea Nahles abgeben. Nahles soll beide Posten übernehmen und Schulz dafür Außenminister werden. Als Finanzminister und Vizekanzler steht Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz im Raum.
CSU-Chef Horst Seehofer soll Innenminister werden. Das Ministerium soll um die Bereiche Bau und "Heimat" aufgewertet werden. Ein "Heimatressort", dem es hauptsächlich um die Aufwertung der Provinz und eine Reduktion der Landflucht geht, gibt es bereits in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Die CSU besetzt zudem die Minister für Verkehr und Entwicklung. Die CDU stellt neben Kanzlerin Angela Merkel unter anderem die Minister für Wirtschaft, Verteidigung, Bildung und Landwirtschaft.
SPD-Mitglieder am Zug
"Es hat sich gelohnt", sagte Merkel über die zähen Verhandlungen bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Erst in letzter Minute konnten sich die drei Parteien bei den Streitthemen Gesundheit und sachgrundlose Befristung einigen. Mittwoch früh wurde vorübergehend sogar nicht einmal ausgeschlossen, dass die Verhandlungen noch scheitern könnten. Der 177-seitige Vertragsentwurf trägt die Überschrift "Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land".
Dass die Kanzlerin einen hohen Preis für die Koalition mit der SPD zahlen musste, konnte sie jedoch nicht überspielen: Sie räumte ein, dass die Abgabe des Finanzministeriums vielen in der CDU schwer falle.
Nach einer Einigung auf einen Koalitionsvertrag sind nun die SPD-Mitglieder am Zug, die in einem Mitgliedervotum befragt werden sollen. Dafür werden rund drei Wochen angesetzt. Erst nach ihrem "Ja" könnte dann fünf Monate nach der Bundestagswahl eine neue Regierung gebildet werden. Die Entscheidung gilt als umstritten, weil es in der SPD eine "NoGroko"-Kampagne gibt, die vor allem von den Jusos betrieben wird, die für einen Eintritt der Gegner einer großen Koalition in die Partei geworben hatten.
Erst am Dienstag hatte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil bekanntgegeben, dass die Partei seit Jahresbeginn 24.339 neue Mitglieder bekommen habe. Damit habe die SPD am heutigen Stichtag für das Mitgliedervotum über einen Koalitionsvertrag 463.723 Mitglieder.
(APA/AFP/Reuters)