Südafrika Er kann nicht loslassen

Jacob Zumas Amtszeit endet erst 2019. Doch selbst in seiner Partei scheinen nur noch wenige an einem würdevollen Abgang des Präsidenten interessiert.

(Foto: Marco Longari/AFP)

Jacob Zuma sagt die Rede zur Lage der Nation ab - erstmalig in Südafrikas Geschichte. Der Präsident ist angezählt, fällt aber bisher nicht: Aus Angst vor Korruptionsermittlungen klammert er sich an die Macht.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Es war eigentlich alles vorbereitet. An den Laternenmasten Kapstadts hängen seit Wochen bunte Fähnchen, mit dem Datum der großen Rede. Die Motorrad-Eskorte des Präsidenten drehte schon seit Tagen ihre Runden, als ob jede Kurve der Stadt mindestens einmal eingeübt werden müsste. Die über den Globus verstreuten Botschafter Südafrikas hatten sich auf den Weg zum Sitz des Parlaments am Kap gemacht, um dort am Dienstag den Worten des Präsidenten zur Lage der Nation zu lauschen - und die Worte dann wieder mit zurückzunehmen und sie der Welt mitzuteilen.

Alles also war bereit, als die Rede am Dienstag abgesagt wurde, was die Lage der Nation Südafrika vielleicht besser beschreibt als alle Worte, die Präsident Jacob Zuma wohl gewählt hätte. Er ist immer noch da und doch schon weg. Seine Tage sind gezählt, aber er ist es, der bestimmt, wie viele es noch sind.

Die Rede zur Lage der Nation hat für Südafrika eine wichtige Symbolik, weil es seit 1994 eben ein frei gewählter Präsident ist, der sagen kann, wohin sich das Land entwickeln soll und was bisher erreicht wurde.

Zuma gefährdet den Sieg des ANC bei den nächsten Wahlen allein durch seinen Verbleib im Amt

Anfangs war es Nelson Mandela, der den Weißen Ängste nahm und den Schwarzen Hoffnung gab. Dann Thabo Mbeki, der es nicht so sehr mit Menschen hatte, dafür aber mit Prinzipien. Unter Jacob Zuma schließlich wurde die Rede immer mehr zu einer seltsamen Veranstaltung, weil Worte und Taten für viele Südafrikaner immer weiter auseinanderzugehen schienen. Zuletzt wurde es meist handgreiflich. Die Rede spiegelte den Zustand des Landes, auch wenn dasder Redner nicht immer beabsichtigt hatte. Nun wurde die "State of the Nation" erstmals ganz abgesagt und auf unbestimmte Zeit verschoben.

Ein neues Datum steht bislang genauso wenig fest wie der Redner. "Ich weiß, dass die Ungewissheiten um das Amt des Staatspräsidenten vielen Südafrikanern Sorge machen", teilte Cyril Ramaphosa am Mittwoch mit. Er ist auch Präsident, nämlich der Regierungspartei ANC, und damit womöglich der mächtigere von beiden. Nelson Mandela hätte ihn einst gerne als seinen Nachfolger gesehen, die Partei aber nicht, weshalb er in die Wirtschaft ging und einer der reichsten Südafrikaner wurde. Seit Mitte Dezember führt er den ANC, will ihn bei den Wahlen 2019 wiederlandesweit zur stärksten Partei machen. Dieses Ziel gefährdet Zuma allein durch sein Verbleiben im Amt; er und seine Clique sind in zahllose Korruptionsaffären verstrickt, viele Südafrikaner sind seiner müde, vor allem die Städter wollen einen Neuanfang.

Die einflussreiche Nelson-Mandela-Stiftung forderte Zuma am Mittwoch zum sofortigen Rücktritt auf: "Präsident Zuma hat das Vertrauen der Südafrikaner missbraucht. Er muss abtreten, lieber früher als später". Zuma habe ein System der Korruption ermöglicht und damit die Ideale Nelson Mandelas verraten.

"Unser Volk hat einen Abschluss verdient", findet Ramaphosa, der Zuma gern beerben würde

Ramaphosa hat bisher versucht, die Ära Zuma in allseitigem Einvernehmen zu beenden, ihm einen Abschied in Ehren zu ermöglichen, so weit das möglich ist. Seit Wochen ist die Parteiführung mit Zuma im Gespräch, der aber nicht weichen will und darauf beharrte, die Rede zur Lage der Nation zu halten. Aus Sicht von Ramaphosa wäre das eine fatale Symbolik: Er hätte sich als Mann der Zukunft anhören müssen, wie der Mann der Vergangenheit redet. Nun ist die Rede verschoben, um Zeit zu gewinnen. Er führe "konstruktive" Gespräche mit Zuma, sagte Ramaphosa nun, ohne Details zu nennen. Anhänger von Zuma raunen in den Medien, der Präsident habe eine Reihe von Forderungen gestellt.

Die betreffen wohl vor allem die vielen Korruptionsvorwürfe gegen ihn, die nun so langsam auch juristisch aufgearbeitet werden. Immunität wird sich Zuma wahrscheinlich wünschen für sich und seine Familie, Immunität ist in der Verfassung Südafrikas aber nicht vorgesehen, woran sich wohl auch Ramaphosa orientieren wird. Allerdings könnte er Zuma anbieten, dass er ihn im Falle einer Verurteilung begnadigen werde, wenn er selbst Präsident ist. Außerdem könnte der ANC sich bereit erklären, die Anwaltskosten Zumas zu übernehmen. Viel mehr scheint aber nicht möglich zu sein. Die Frage ist, ob das Zuma reicht, oder ob er lieber noch etwa 16 Monate im Amt verbleiben möchte, um Spuren zu verwischen.

Allerdings ist auch dieser Weg offenbar versperrt. In den Gremien des ANC scheinen seine Leute, die ihn bisher beschützt haben, nun in die Minderheit geraten zu sein. Zuma hat ein halbes Dutzend Amtsenthebungsverfahren im Parlament überstanden, das nächste könnte nun erstmals von seiner eigenen Partei kommen. Vieles also spricht für Zumas Rücktritt - nur er selbst erwägt den Schritt nicht. Am Sonntag weigerte er sich gegenüber dem höchsten Parteigremium, freiwillig seinen Rückzug anzutreten. Nun sollen offenbar die Verhandlungen mit seinem wahrscheinlichen Nachfolger Ramaphosa die Lösung bringen. So sieht es zumindest Ramaphosa: "Sowohl Präsident Zuma als auch ich sind uns bewusst, dass unser Volk einen Abschluss verdient." Es ist nicht klar, ob das auch der Abschluss ist, den Zuma sich vorstellt. Von ihm selbst hat man seit vielen Tagen nichts in dieser Sache gehört.