Der Kurssturz an den Börsen war überfällig

Eine starke Konjunktur und überbewertete Aktien sind ein guter Grund für eine Korrektur – die Anleger am besten aussitzen sollten

All jene Österreicher, die keine Aktien besitzen – und das sind rund 95 Prozent der Bevölkerung –, werden sich angesichts des Kursrutsches an den Weltbörsen wohl denken: Recht gehabt! Die Börse ist ein Kasino, wo man sein Geld verlieren kann, und kein Ort für vorsichtige Anleger.

Dabei sind die Aktienkurse auch nach den dramatischen Verlusten der vergangenen Tage immer noch deutlich höher als vor einem Jahr, sogar als noch vor drei Monaten. Der Kursverfall ist eine erwartbare, fast unvermeidbare Korrektur des anhaltenden Anstiegs des vergangenen Jahres. Ein Börsenjahr wie 2017 – mit stetigen Gewinnen und ohne größere Verluste – hat es in der Geschichte noch selten gegeben. Kein Wunder, dass einige Anleger jetzt ihre Gewinne mitnehmen und andere kalte Füße bekommen. Es braucht nicht viele Verkäufer, um die Kurse fallen zu lassen. Es reicht, wenn niemand kaufen will.

Langfristig realistisch, kurzfristig irrational

Dennoch muss man sich im Nachhinein wundern, warum diese Korrektur nicht schon früher eingetreten ist, vor allem an der Wall Street, wo viele Aktien in Relation zu Konzerngewinnen – und das ist die einzig wahre Messlatte – stark überbewertet sind. Dass Donald Trumps Steuerreform nicht nur Unternehmensprofite wachsen lassen, sondern auch die Neuverschuldung des Staates stark erhöhen wird, war schon lange bekannt. Dass die US-Wirtschaft diese Konjunkturspritze nicht braucht und daher wahrscheinlich Inflation und Zinsen steigen werden, ebenso. Finanzmärkte spiegeln längerfristig die Situation der Realwirtschaft wider, aber kurzfristig wirken sie oft höchst irrational.

Auch jetzt ist es gut möglich, dass dieser Kursverfall nicht dort endet, wo die fundamentalen Daten es anzeigen, sondern noch viel weiter geht. Auch Verluste von 20, 30 oder 50 Prozent – wie etwa während der Weltfinanzkrise von 2007 bis 2009 – sind möglich. Das würde noch mehr Anleger verschrecken und ihnen jede weitere Lust auf Aktien- und Fondsinvestments nehmen.

Deutlich lukrativer als ein Sparbuch

Ein Blick zurück zeigt aber, dass dies ein Fehler sein kann: Wer im März 2009, am Tiefpunkt der Finanzkrise und der Börsenkurse, in US-Aktien eingestiegen ist, hat seither seinen Einsatz vervierfacht – selbst nach den schweren Verlusten von Montag. Über ein Jahrzehnt gesehen sind Aktien deutlich lukrativer als Anleihen oder gar ein Sparbuch – und nicht riskanter als Immobilien.

Allerdings sind solche Wendepunkte erst im Nachhinein zu erkennen. Am besten steigen daher langfristige Anleger aus, die nicht erst dann kaufen, wenn die Börse boomt, und bei Verlusten nicht in Panik geraten. Wer heute Aktien oder breit gestreute Aktienfonds besitzt, sollte die jetzigen Schlagzeilen einfach ignorieren.

Trumps Erfolgstory wird zur Bürde

Einer, dem dies schwerfallen wird, ist Donald Trump. Der US-Präsident hat die Wall-Street-Rally des vergangenen Jahres unaufhörlich als Zeichen seines Erfolgs verkauft. Nun drohen die fallenden Kurse die sonst guten Nachrichten aus der US-Wirtschaft zu überschatten. Die kurzfristigen Schwankungen des Aktienmarktes sind kein brauchbarer Indikator für die wirtschaftliche Lage. Kurse können auch fallen, gerade weil es der Wirtschaft gutgeht. Denn dann steigen die Zinsen, was festverzinsliche Anleihen gegenüber Aktien attraktiver macht. Das ist wohl auch der wichtigste Auslöser des jetzigen Kursrutsches.

Wenn dieser weitergeht, wird Trump noch bereuen, sein politisches Los so eng mit dem der Börse verknüpft zu haben. Am Ende wird er dann behaupten, dass die Finanzmärkte genauso unfair zu ihm seien wie die Medien. Und damit wird er recht haben: Märkte kennen keine Fairness. (Eric Frey, 6.2.2018)

Donald Trumps Rede: Ein fast normaler US-Präsident