Die Nervosität an der Wall Street ist hoch, doch mittlerweile scheint der Dow Jones etwas erholt. In Europa halten sich die Verluste in Grenzen
Einen Tag nach dem Kursbeben haben die US-Börsen am Dienstag wieder zugelegt. Allerdings gingen die Kurse auf eine wahre Berg- und Talfahrt: Nach einer schwachen Eröffnung schaffte der Dow Jones-Index der Standardwerte zeitweise mehr als ein Prozent Plus. Doch die Gewinne schmolzen bis zum New Yorker Nachmittagshandel wieder auf 0,2 Prozent zusammen. Der heimische ATX dämmte zu Börsenschluss das Minus auf 2,8 Prozent ein. Der deutsche Dax hatte zu Börsenschluss ein Minus von 2,32 Prozent zu verzeichnen. Deutlicher fielen die Verluste etwa in Warschau aus. Der WIG30 verlor 3,53 Prozent.
Das Wehklagen ist groß unter Börsianern und Finanzjournalisten. Vom größten Kurssturz in der Geschichte des Dow-Jones-Index, des weltweit wichtigsten Barometers für Aktien, war am Dienstag die Rede. Doch diese Feststellung pickt nur einen Aspekt heraus: In Punkten handelt es sich tatsächlich um den größten Rückgang des Dow Jones, prozentuell stellt der Fall von 4,60 Prozent keine dramatische Erschütterung dar. Das Minus schafft es nicht auf die Liste der 50 größten Abstürze des Indikators, die vom Crash des 19. Oktober 1987 und einem Verfall von 22,61 Prozent angeführt wird.
Das ändert aber nichts daran, dass die Nervosität groß ist. Angesichts des stetigen Anstiegs der Kurse über die letzten Jahre gibt es viel Luft nach unten, befürchten viele Analysten und Ökonomen. Vielfach wird dem entgegengehalten, dass auch die Unternehmensgewinne hoch seien und daher die Bewertung passe. Doch Indikatoren, die Kurse und Profit vergleichen, zeigen ein klares Bild: Der von Nobelpreisträger Robert Shiller entwickelte CAPE-Index stand zuletzt bei 32 Punkten – das entspricht dem Doppelten des historischen Mittelwertes. Diese hohe Bewertung der Aktien zeigt schon, dass es noch tief nach unten gehen könnte.
Absturz in Asien
Der Kurssturz vom Montag setzte sich am Dienstag in Asien fort. Vor allem in Tokio ging es mit sechs Prozent deutlich bergab. In Europa hielten sich die Verluste vergleichsweise in Grenzen.
Doch zurück zu New York: Was ist nun der Grund für den rapiden Kursverfall an der Wall Street? Die meisten Börsianer sehen den Auslöser in den steigenden Inflationserwartungen. Eine stärkere Teuerung lässt die Anleihezinsen steigen, was sich in den USA vergangene Woche bereits deutlich bemerkbar machte: Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen überstieg die Marke von 2,8 Prozent. Werfen Bonds mehr ab, werden sie im Vergleich zu Aktien attraktiver, was deren Kurse drückt.
Stop-Loss
Letztlich ist das Börsenbild aber immer eine Kombination ökonomischer, technischer und emotionaler Einflussfaktoren, und da tut sich einiges. Technisch bedingt sind die massiven Einbrüche in kurzer Zeit. Überschreiten die Verluste ein gewisses Ausmaß, werfen computergesteuerte Programme automatisch Aktien auf den Markt, wodurch der Absturz beschleunigt wird. Börsianer sprechen von Stop-Loss-Ordern. Und dann gibt es da eben auch die Psychologie, die Emotion, den Herdentrieb. Börsianer lassen sich schnell von einem Trend anstecken und geraten in Panik. Das ist der Stoff, aus dem die Albträume sind. (red, 6.2.2018)