Kunstfliegen "Ohne Braten im Magen wird das nichts, Mädchen"

Noch heute greift die 78-Jährige am liebsten im Cockpit an.

(Foto: Privat)

Das sagte der Kunstfluglehrer einst zu Ingrid Hopman. Heute ist sie mit 78 Jahren Bayerns älteste Pilotin - und hat die ganze Welt von oben gesehen.

Von Ulrike Schuster, Rimsting

Sonne pur, eine einmalige Fernsicht, weiße Wolken am blauen Himmel, ein Montag in Rimsting am Chiemsee. Ihre Nachbarn gehen joggen, Ingrid Hopman geht fliegen. Sie hat Lust auf Altötting von oben. Ingrid Hopman wird einen Motorsegler SF 25 C fliegen, "den Falken", wie sie sagt. Auf dem Flugplatz in Bad Endorf streichelt sie die Flügel, dreht den Propeller, umarmt die Schnauze, füllt 30 Liter "Auto-Super-Plus" in den Tank.

Im Kaki-Thermo-Overall, mit Schirmmütze und Sonnenbrille steigt sie ins Cockpit. Sie legt den Gurt um, drückt den Startknopf, setzt die Kopfhörer auf, sagt: "Delta Kilo Whiskey India Tengo abflugbereit." Flugleiter Sepp funkt aus dem Tower: "Rolle zur Landerichtung 34." Hopman zieht den Hebel zum Bauch und sagt: "Vollgas." Tempo 150 braucht es nicht, schon bei 50 hebt India Tengo mit ihr ab. Im Luftsportverein Bad Endorf hebt kein anderer schneller oder öfter ab als sie. Hopman ist die einzige Pilotin unter 35 aktiven Piloten.

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Und was für eine: Mit 78 Jahren ist Ingrid Hopman die älteste Pilotin in Bayern. Aber nicht nur das. Sie ist Extrem-Fliegerin, bereits am Boden. Den Flieger trägt sie als Kettenanhänger, Flieger ticken als Zeiger in ihrer Uhr, Flieger stecken als Schmuck in den Ohrlöchern. An ihrem Wagen klebt in Neongelb: "Auto macht an jedem Flughafen Halt." Sobald die Sonne scheint, sitzt Hopman im Flieger. Seit 50 Jahren ist die vormalige Anästhesieschwester "Lustfliegerin", wie sie sagt.

Ihre Flugbücher legen davon Zeugnis ab: 2292 Stunden war sie in der Luft, 6963 Mal ist sie gelandet, 27 Fliegertypen hat sie geflogen. Da ist kaum eine Lizenz für Flugmaschinen, die sie sich nicht geholt hat. Jeden Kontinent hat sie von oben gesehen, die Polarbären, den Mississippi, das Outback, den Kilimandscharo, den Mount Everest, das Taj Mahal und natürlich Schloss Neuschwanstein. Ingrid Hopman ist die Himmelsstürmerin in Bayern.

Cockpits sind Männersache. Gerade einmal fünf Prozent der Piloten sind weiblich. Selbst in der Bundeswehr ist der Anteil der Soldatinnen höher. Dort sind es zwölf Prozent. Hopman versteht das nicht, sie sagt: "Angst ist das Einzige, was man nicht haben darf." Nicht vor dem Fliegen, nicht vor dem Mann. Denn egal, ob Kirchturmflug über Altötting oder Langstreckenflug über der Steppe, Freiheit, so sagt Hopman, gibt es nicht ohne Gefahr und Gegenwind. Zäh muss man sein. Und unerschrocken.

Hopman lernte das von Anfang an, mit 28, bei der Prüfung für den Motorflieger. Ein "Schnupperflug im Urlaub" hatte sie einst angefixt. Von St. Michaelisdonn nach Flensburg sollte sie ihre Cessna 150 fliegen. Ohne Funk. Auf Sicht. Der Fluglehrer sagte: "Wenn die Eisenbahn zu Ende ist, siehst du den Flugplatz." Nichts sah sie. Nur eine Lufthansa-Maschine im Landeanflug und dachte sich: "Wo der Kerl landet, lande ich auch." Das war verboten. Der Lufthansa-Pilot schimpfte sie per Funk aus, Hopman heulte erst, dann kämmte sie sich die Haare und flog weiter.