Der Bauernverband fordert wegen der Gefahr der Schweinepest eine Reduzierung des Wildschweinbestands um 70 Prozent. Der Jagdverband Dachau lehnt das ab und wird dabei von Landwirte-Sprecher Anton Kreitmair unterstützt
In Tschechien, wenige 100 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt, wurden vergangenen Sommer die ersten Fälle der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Europa entdeckt. Eine Seuche, die für Haus- und Wildschweine nahezu immer tödlich endet, für Menschen jedoch ungefährlich ist. Und für die es keine Impfstoffe und Medikamente gibt. Wildschweine gelten als Überträger der Krankheit. Ist der Virus erst einmal in Deutschland angekommen, wird man ihn nur schwer in den Griff bekommen. Viele Bauern im Landkreis fürchten nun um ihre Tierbestände, und so fordert der Deutsche Bauernverband einen Abschuss von ungefähr 70 Prozent der Wildschweinpopulation. Doch darauf reagieren der Jagdschutz- und Jägerverein Dachau mit vehementer Kritik.
Der Mensch als Hauptüberträger des Virus
"Die Wahrscheinlichkeit, dass der Virus nach Deutschland gelangt, ist tatsächlich sehr hoch", räumt Ernst-Ulrich Wittmann, Vorsitzender des Jagdvereins, zwar ein. Aber: Dass die Seuche über Wildschweine in den Landkreis gelangt, kann der Jäger nicht bestätigen. "Der Weg ist dafür einfach zu weit, die infizierten Tiere sterben meistens schon nach wenigen Tagen." Der Virus kann sich auf anderen Wegen ausbreiten: Erreger finden sich an Kleidungsstücken, an Fahrzeugen, in Schweineprodukten - für Wittmann ist deshalb der Mensch der Hauptüberträger des Virus.
In Lebensmitteln etwa kann der Erreger unbemerkt durch ganz Europa transportiert werden. "In Parmaschinken ist der Virus beispielsweise bis zu 400 Tage überlebensfähig", erklärt Vereinsprecher Wittmann. Gelangen die Fleischprodukte dann mit Schweinen in Berührung, infizieren sich die Tiere. Wittmann hält es deshalb für sinnvoll, die Übertragungskette durch verseuchte Lebensmittel oder den Einreiseverkehr besser zu kontrollieren, als zum massenhaften Abschuss von Wildschweinen zu blasen.
"Das ist reinster Populismus", kritisiert der Jäger
Das unterstützt auch der Landtagsabgeordnete Anton Kreitmair (CSU), Bezirksvorsitzender des Bayerischen Bauernverbandes. Einem Abschuss von ungefähr 70 Prozent aller Wildschweine in der Bundesrepublik, wie das sein Bundesverband fordert, kann er so nicht zustimmen, wie er sagt. "Weil es hier nicht so viele Wildschweine gibt, lässt sich das nicht einfach auf Dachau ableiten", sagt Kreitmair, der selbst Landwirt ist. Auch Wittmann hält den großflächigen Abschuss vieler Wildschweine für nicht zielführend. "Das ist reinster Populismus", kritisiert der Jäger. Die milden Winter der vergangenen Jahre und der steigende Anbau von Mais und Raps ließen die Wildschweinbestände in den vergangenen Jahren schnell steigen. Genaue Zahlen über den aktuellen Bestand in Deutschland gibt es jedoch nicht.
Fast drei Viertel der Wildschweinpopulation sollen sterben. Der Bauernverband fordert das, um der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest Einhalt zu gebieten. Allerdings verbreitet sich der Virus, der Hausschweinen gefährlich wird, viel mehr auf anderen Wegen.
(Foto: Peter Hinz-Rosin)Anton Kreitmair nimmt deshalb auch die Jäger in die Pflicht. Die Bestände müssten überschaubar bleiben, fordert er. "Wir als Jäger leisten bereits einen großen Beitrag", stellt Wittmann klar. Die Zahlen, die im Kreisausschuss vergangene Woche präsentiert wurden, machen das deutlich. Während im Jahr 2016 insgesamt 349 Wildschweine im Landkreis geschossen wurden, waren es 2017 etwa 100 Tiere mehr.
Das Veterinäramt des Landkreises hat bereits erste Maßnahmen gegen die Schweinepest ergriffen. "Wir führen gerade Übungen durch und haben die Kontrollen in den Betrieben intensiviert", sagt Behördenleiterin Anita Sprick-Sanjosé Messing. Wenn der Virus im Landkreis tatsächlich ausbrechen sollte, was noch fraglich ist, fühlt man sich gerüstet. "Die Vorbereitungsphase für einen solchen Ernstfall läuft schon länger", erklärt die Amtstierärztin. Die Behörde konzentriert sich derzeit auf präventive Maßnahmen. "Die Kontrolle und die Information der Bauern, Jäger sowie Bürger sind die zwei wichtigsten Punkte momentan", sagt Anita Sprick-Sanjosé Messing. Den Jägern geht das wiederum jedoch nicht weit genug. Erlegen sie ein Tier, bleibt ein Teil des Fleisches in der Natur zurück. Gerade in einem Seuchenfall stellt das ein enorm hohes Infektionsrisiko dar. Die Jäger fordern deshalb sogenannte Konfiskatbehälter, um alles Fleisch fachgerecht entsorgen zu können. Aber die gibt es nicht. "Das kommt dann erst, wenn die Schweinepest ausgebrochen ist", beklagt Wittmann.
Für jedes erlegte Wild werden die Jäger im Landkreis seit fast zwei Jahren mit zehn Euro unterstützt. Landrat Stefan Löwl (CSU) erklärte im Kreisausschuss, dass das seinerzeit eine Forderung der Jäger gewesen sei. 7000 Euro sind dafür im Kreisetat 2018 vorgesehen. Bei den drei für Jäger gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen hält Wittmann das jedoch für deutlich zu wenig. "Allein die Trichinenmessung, eine der drei Untersuchungen, kostet pro Wild schon 21 Euro und ist damit im Vergleich zu anderen Landkreisen besonders teuer."
Jagdverbandssprecher Ernst-Ulrich Wittmann fordert Kontrollen der Übertragungswege der Schweinepest.
(Foto: Toni Heigl)In einem sind sich Bauernverband, Veterinäramt und die Jäger dann doch einig: Die Panikmache um die Schweinepest bringt tatsächlich keinem etwas. "Bei der Schweinepest müssen alle zusammenarbeiten, die Jäger, die Behörden, die Bauern und die Politik", sagt Wittmann.