- In der letzten Phase der Koalitionsverhandlungen verkünden Union und SPD Einigungen in vielen Bereichen.
- Bei Krankenversicherung, Arbeitsverträgen und dem endgültigen Finanztableau gibt es noch strittige Punkte.
- Spätestens am Dienstag wollen die Verhandler auch bei diesen Themen Ergebnisse vorweisen und die Verhandlungen beenden.
Die Restarbeit ist überschaubar, immerhin. Drei große Sachthemen und eine Liste von Kleinigkeiten sind noch strittig am Montag, als sich CDU, CSU und SPD wieder zusammen setzen. Sie wollen sich einigen über die Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin, der Missbrauch von sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen und das endgültige Finanztableau. Gelingt das, steht einem Koalitionsvertrag nichts mehr im Wege.
Am Sonntagabend hatte sich plötzlich bereits so etwas wie Vorfreude ausgebreitet, jedenfalls war die Stimmung gut, als eine Arbeitsgruppe nach der anderen verkündete, sich geeinigt zu haben bei Wohnen, Bauen, Mieten und Digitalem. Die Verhandler betonten, dass alle bereits verkündeten Beschlüsse unter dem Vorbehalt der endgültigen Einigung stehen, die für Montag angestrebt wird.
Union und SPD auf der Zielgeraden
Steuern und Finanzen
Trotz allem - die schwarze Null soll bestehen und der Bundeshaushalt ausgeglichen bleiben. Die erwarteten Überschüsse sollen teilweise an Bürger mit niedrigen und mittleren Einkommen zurückgegeben sowie in soziale und unternehmerische Projekte investiert werden. Knapp 46 Milliarden Euro sind für Maßnahmen vorgesehen, die sicher umgesetzt werden. Davon werden zehn Milliarden Euro benötigt, um den geplanten Wegfall des Soli-Zuschlages für den größten Teil der Steuerzahler zu kompensieren. Alleinstehende Einkommensteuerpflichtige werden von 2021 an bis zu einem zu versteuernde Einkommen von 61 000 Euro keinen Soli mehr zahlen. Für Verheiratete gilt die doppelte Summe.
Acht Milliarden Euro sollen Länder und Kommunen erhalten, um die Folgen des Flüchtlingszuzugs zu regeln. Für Kinder und Familien sind zwölf Milliarden Euro einplant. Das Kindergeld wird um 25 Euro je Kind erhöht, der Kinderfreibetrag steigt, es gibt einen Zuschuss für besonders bedürftige Kinder. Vier Milliarden fließen in den Wohnungsbau, weitere zwölf Milliarden Euro sind zur Förderung von Verkehr und ländlichen Räumen vorgesehen. Fallen die Überschüsse höher als erwartet aus, sollen zusätzlich digitale Projekte, Entwicklungspolitik und Aufgaben der Bundeswehr finanziert werden.
Die versprochene Steuerreform wird es nicht geben. Vereinbart ist lediglich, die Abgeltungsteuer für Zinserträge abzuschaffen, nicht jedoch für Dividenden und Veräußerungsgewinne bei Kapitalanlagen. Zudem sollen Unternehmensteuern überprüft werden.
Migration und Integration
Das Grundrecht auf Asyl soll nicht angetastet werden. Die Parteien gehen davon aus, dass die Zuwanderungszahlen für die nächsten Jahre insgesamt bei etwa 180 000 bis 220 000 liegen werden. Der Begriff Obergrenze taucht nicht auf. Im Einigungspapier der Arbeitsgruppe Migration und Integration heißt es weiter, dass diese Zahlen Kriegsflüchtlinge, vorübergehend Schutzbedürftige, Familiennachzügler und Umgesiedelte einschlössen. Abgezogen werden müssten Rückführungen, freiwillige Ausreisen und Arbeitsmigranten. Die Koalition will Fluchtursachen bekämpfen und stellt dafür zusätzliches Geld bereit. Bis die europäischen Außengrenzen sicher geschützt werden können, erlaubt die große Koalition, dass die Binnengrenzen kontrolliert werden.
Vom 1. August an soll ein auf 1000 Personen pro Monat begrenzter Familiennachzug zu Flüchtlingen mit subsidiärem Schutzstatus möglich sein. Die bestehende Härtefallregelung jenseits des Kontingents soll weiter angewendet werden. Bis Ende Juli bleibt der Nachzug zu Personen mit subsidiärem Schutz ausgesetzt, das hat der Bundestag bereits beschlossen.
Vereinbart ist auch, gezielt Fachkräfte nach Deutschland zu holen. Dazu soll ein Regelwerk erstellt werden, das zwar nicht Einwanderungsgesetz genannt wird, aber faktisch eines ist.
Wohnen und Bauen
In den nächsten vier Jahren sollen bis zu 1,5 Millionen neue Wohnungen gebaut werden. Ziel ist es, über ein höheres Angebot von Wohnraum den Anstieg der Mieten vor allem in Städten zu bremsen. Insgesamt vier Milliarden Euro will der Bund bereitstellen. Mit dem Geld sollen der soziale Wohnungsbau gefördert (mindestens zwei Milliarden Euro) sowie über Sonderabschreibungen steuerliche Anreize für Bauherren geschaffen werden. Gefördert wird, wer Gebäude energetisch saniert; auch Familien, die Wohneigentum bilden wollen, werden unterstützt. Die Eigentumsquote soll deutlich erhöht werden.
Es soll ein Baukindergeld von jährlich 1200 Euro je Kind für zehn Jahre gezahlt werden, und zwar an Familien, deren Jahreseinkommen unter 75 000 Euro liegt. Zusätzlich gilt pro Kind ein Freibetrag von 15 000 Euro.
Der Bund will Städten und Gemeinden helfen, Bauland zu beschaffen und dazu bundeseigene Grundstücke zu günstigen Bedingungen abgeben. Zudem soll die Grundsteuer so modernisiert werden, dass ungenutztes Bauland höher besteuert wird. Damit soll zusätzlich Bauland mobilisiert werden. Vereinbart ist ein Maßnahmenpaket gegen krasse Mietsteigerungen. Die Mietpreisbremse wird verschärft, Vermieter müssen künftig die vorher kassierte Miete offenlegen, um Steigerungen transparent zu machen. Modernisierungskosten dürfen nur noch zu acht Prozent umgelegt werden auf die Miete, bisher waren es elf Prozent.