Wie man dem Fernweh nachhilft

Personalisten beklagen sich, keine Mitarbeiter mehr für Entsendungen zu finden. Sie müssen nur die Pakete überdenken, die sie ihren Expats schnüren. Am Geld allein liegt es nicht.

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Marin Goleminov

Die Personalchefin seufzt. Maschinenbauer oder Elektrotechniker suche sie für den technischen Support, mit hoher Kundenorientierung und exzellentem Englisch. Als ob das nicht schon schwierig genug wäre, müssten sie auch noch reisefreudig sein und sich von Kuba bis Korea schicken lassen. Solche Leute zu finden sei so gut wie unmöglich. Die fernen Länder lockten nicht mehr. Was interessiert, schaut man sich privat an.

Eine druckfrische Xing-Studie bestätigt das. Ihr zufolge nehmen 41 Prozent der Österreicher grundsätzlich nur Jobs am eigenen Wohnort an. Für 44 Prozent dürfen sie immerhin im Umkreis von 50 Kilometern liegen. Nur sieben Prozent – vor allem Männer – können sich vorstellen, der Karriere wegen ins Ausland zu gehen.

Binnenländer und Seefahrer

Österreicher kleben traditionell fester an der Scholle als Deutsche, Holländer oder Skandinavier – „die Seefahrervölker eben“, subsummiert Michael Schaumann, Managing Partner des Executive Searcher Stanton Chase. Schaumann warnt seine Kunden schon, wenn ein Arbeitsplatz mehr als 40 Minuten vom Wohnort entfernt ist: „Das hebt die Wahrscheinlichkeit, dass der Kandidat nach zwei Jahren abspringt.“

Dennoch, ein klein wenig Abenteuerlust spricht er den Österreichern nicht ab. Es komme eben auf die Destination an. Westeuropa – gern, sofern man (vor allem in Frankreich) die Sprache spricht. Nordamerikas Ost- und Westküste, Palo Alto, das Silicon Valley – jederzeit. Singapur, Hongkong, Tokio – hochinteressant. Dubai – spannend, wenngleich es an Attraktivität verliert. Wer sich aber finanziell sanieren will, nimmt es gern zwei Jahre in Kauf. Sogar Saudiarabien, wenngleich das fürstliche Salär dort schon als Schmerzengeld fungiert.

China hingegen, der frühere Place-to-be, ist weg vom Fenster: der Smog, die Staus, das fehlende Internet, das Gefühl, nicht willkommen zu sein. Und Russland? „Ganz schlimm“, antwortet Schaumann, „nur mehr ein Ort für Singlemänner mit Söldnermentalität.“

Wie man Expats motiviert

Ganz so schlimm sieht Dominik Sonnberger das nicht. Als Managing Partner von TheXecutives besetzt er in ebenjenen CEE-Märkten. Natürlich, sagt er, das einfachste Lockmittel sei noch immer die Entlohnung. Sie mache dort schon aufgrund des niedrigen Steuersatzes einen gewaltigen Satz nach oben.

Doch so einfach dürfe es sich die Personalabteilung nicht machen. „Sie muss Pakete schnüren, die die ganze Familie einbeziehen.“ Für gewöhnlich arbeiteten heute beide Partner, also könnte HR auch dem anderen einen Job anbieten. Nebst Übersiedlungsservice und den „üblichen anderen Annehmlichkeiten“ – in riskanten Ländern vor allem jenen der persönlichen Sicherheit.

Ein ausdrücklich erwünschtes Service schieben Personalisten gern von sich: konstruktive Ideen, wie sich die fehlenden Jahre im heimischen Pensionssystem abdecken lassen. „HR argumentiert mit privaten Pensionskassen und damit, dass sich das jeder selbst ausrechnen lassen kann.“ Theoretisch ja, praktisch lässt sich der Behördenlauf mit Übung und Know-how vereinfachen. Beides habe ein abwesender Expat nun einmal nicht.

Und noch ein Klassiker: Es hat sich herumgesprochen, dass Heimkehrer oft durch die Finger schauen. Der alte Job ist weg, kein neuer in Sicht. Hier tatsächlich langfristig zu planen und einen adäquaten Job anzubieten weckt das Fernweh nachweislich.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2018)