- Geowissenschaftler arbeiten daran, Wärmeenergie im Untergrund zu speichern, beispielsweise in alten Bergwerken.
- Die Idee: Die Wärme soll im Sommer in die Speicher fließen, und im Winter Haushalte beheizen. So soll der Bedarf an fossilen Brennstoffen gesenkt werden.
- Nun gibt es erste Pilotprojekte, etwa in Hamburg und Bochum.
Wenn es nach Sebastian Bauer geht, scheint in Kiel die Sommersonne bald auch in den Winternächten. Der Physiker und Geowissenschaftler kann zwar nicht in die Himmelsmechanik eingreifen. Aber er kann die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Hitze des August auf den Dächern der Stadt eingefangen und in ihrem Untergrund gespeichert wird, um damit im Januar die Häuser zu heizen.
Solche Ideen dienen dem Kampf gegen den Klimawandel. "Die deutsche Energiewende konzentriert sich bislang auf Strom, dabei wird hierzulande etwa die Hälfte der Energie für Wärme aufgewandt", sagt Bauer, "und hier sind die Erneuerbaren mit einem Anteil von 13 Prozent noch nicht sehr weit gekommen."
Bauers Kollege Andreas Dahmke sieht im gemeinsamen Projekt sogar eine Voraussetzung für den Kohleausstieg: "Die großen Kohlekraftwerke versorgen oft auch Fernwärmenetze. Die angeschlossenen Wohnungen müssen auch geheizt werden, wenn die Meiler vom Netz gehen." 28 Prozent der Fernwärme stammen aus der Kohleverbrennung, rechnerisch versorgen die Kraftwerke damit 1,6 Millionen Haushalte in Deutschland.
Ein halbes Jahr später lassen sich bis zu 80 Prozent der Energie zurückgewinnen
Die beiden Geowissenschaftler wollen daher Energie im Untergrund speichern. Bisher werden meist Warmwassertanks im Gelände oder in Kellern gebaut, aber: "Der Platz für Speicher an der Oberfläche ist begrenzt, und sie kämen dort in Konkurrenz zu anderen Nutzungen", sagt Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Robert Habeck, der das Projekt der beiden Kieler Forscher unterstützt. Er hatte vor dem Jahreswechsel eine Konferenz zum Thema in Kiel eröffnet, bevor seine Kandidatur für den Parteivorsitz offiziell wurde.
Die Energiewende kurz erklärt
Für den Blick in den Untergrund haben Bauer, Dahmke und viele ihrer Kollegen ein großes, durch die Bundesministerien für Forschung und Wirtschaft gefördertes Verbundprojekt namens Angus ("Auswirkungen der Nutzung des Geologischen Untergrundes als Speicher") gegründet, dessen erste Ergebnisse sie kürzlich vorstellten. "Inzwischen können wir recht gut vorhersagen, wie viel Platz wir unter der Erde brauchen, um in den Sommermonaten saisonale Speicher zu füllen und im Winter wieder zu leeren", sagt Bauer. Würde man alle geeigneten Dächer in Kiel nutzen, könnte die Landeshauptstadt immerhin ein Fünftel ihres Wärmebedarfs daraus beziehen. Zum Speichern genüge Bauer zufolge eine Schicht von weniger als einem Zehntel innerhalb der ersten 200 Meter des Untergrunds.
Grundsätzlich kommen für das Speichern von Wärme zwei Methoden infrage. Die erste nutzt Erdsonden, die rund 100 Meter tief im Untergrund versenkt werden. In großen Neubauten können sie in den Fundamenten verlaufen. In einem geschlossenen Kreislauf fließt in den Sonden warmes Wasser nach unten, gibt dort seine Energie an Beton, Felsen oder Erdreich ab und kehrt abgekühlt zur Oberfläche zurück. Ein halbes Jahr später lassen sich bis zu 80 Prozent dieser Energie wieder zurückgewinnen, wenn man den Prozess umkehrt, zeigen Modellrechnungen. Sie sollen demnächst mit Experimenten in einer metertiefen Sandkiste überprüft werden. Elektrische Wärmepumpen heben die Temperaturen falls notwendig auf Werte, die eine Heizungs- und Warmwasseranlage braucht.
Die zweite Methode erfordert Grundwasserbrunnen, die etliche 100 Meter tief reichen können. Durch sie würde kühles Wasser aus einer Grundwasserschicht, einem sogenannten Aquifer, nach oben gepumpt, aufgeheizt und dann zurückgegeben, um die Schicht zu erwärmen. Die Quote der Energie, die man später zurückerhält, wäre wohl etwas geringer als bei den Erdsonden; dafür lägen Speicherraten und -kapazität pro Bohrung deutlich höher.