Die auf den Erfolg wettet

Im Oktober übernahm Patricia Neumann die Geschäftsführung von IBM Österreich. Sie hat klare Meinungen zu ihrer Rolle als Karrierefrau – und zu Entscheidungen unter Unsicherheit.

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Pepo Schuster

Patricia Neumann (46) war 13 Jahre fern der Heimat. 13 Jahre, die sie für den Technologiekonzern IBM in Stuttgart, Mailand und London, aber auch pendelnd zwischen Russland, Tschechien und Polen verbrachte.

Im Oktober kehrte sie nach Wien zurück. Um in die Königsklasse des Managements einzutreten: die Verantwortung für ein Land zu übernehmen. Alles davor, die Geschäftsbereiche, das Internationale, das Länderübergreifende – das waren Meilensteine. Jetzt ist sie Landeschefin.

Vor Dienstantritt entdeckte sie mit ihren Töchtern die Heimatstadt neu. Den Prater, Schönbrunn, die Museen, das Haus des Meeres, . . . Offener sei Wien geworden, sagt sie, lebhafter und neugieriger. So viele Sprachen. „Die Innenstadt lebt und pumpt“, sagt sie, „und das Lichtermeer zu Weihnachten. Ein Wahnsinn.“

Mission Rollenvorbild

Frau und Karriere, das Thema begleitete Neumann ein Berufsleben lang. Selbst etwas zu verändern, gleichzeitig als „Betroffene“ tituliert zu werden: „Warum bin ich ,betroffen‘? Es ist doch normal so.“

Es gefällt ihr nicht, wenn Dinge auf der Stelle treten: „Da suchen wir bewusst gleich viele Damen wie Herren für offene Stellen, und dann merke ich, es werden nur Herren interviewt.“ Sie könne nicht überall eingreifen, sagt sie, aber hinterfragen könne sie es: „Und dann hat keiner Antworten.“

Stereotypen mag sie auch nicht. Sie vermeide sie, sagt sie, wo es nur gehe, und doch begegneten sie ihr überall. Ob man wohl auch einen Mann fragen würde: „Was machen deine Kinder?“ Als Rollenvorbild wolle sie fungieren, als eine, die vorlebe, dass man wissen muss, was man will, und dass man seine Entscheidungen treffen muss: „Viele sagen mir, sie wissen genau, was sie nicht wollen. Aber was sie wollen, das wissen sie nicht.“ Das sei die schwierigere, aber auch zielführendere Aufgabe. Und, von Härtefällen einmal abgesehen, jeder sei für selbst verantwortlich.

Entscheidungen nach oben

Ihre erste Entscheidung war für genau dieses Unternehmen. Vor 23 Jahren startete sie bei IBM, gleich nach dem Wirtschaftsuniversitätsstudium.

Die zweite war für eine Managementkarriere: „Man muss die jungen Leute früh sortieren, ob sie wirklich die Zukunft eines Unternehmens steuern wollen.“ Am Anfang sei Karriere ein Teamthema, aber je höher man steige, desto mehr gehe es um das Gestalten.

Ihre dritte Entscheidung war für die internationale Karriere. Sie wollte immer „ein Stück weit raus aus Österreich“, andere Länder kennenlernen, andere Märkte. „Das war eine große persönliche Bereicherung.“

Jetzt entschied sie sich, mit ihrer Familie heimzukommen. Um „für IBM dieses Land nach außen zu vertreten“. Und es voranzutreiben, nicht nur zu wissen, wo man hinwolle, sondern es auch zu tun: die Landesorganisation und die Kunden tiefer in die digitale Zukunft zu führen, Leuchtturmprojekte zu starten, Pilotierungen: „Es ist auch ein Unterschied, ob ein Kunde über Digitalisierung redet oder etwas dafür macht.“

Dabei ist Alleingang ihre Sache nicht. „Die Blockchain lässt sich nicht im stillen Kämmerlein machen.“ Nur im Verbund: IBM stehe für die Enterprise-Welt und Start-ups für neue Ideen: „Meine Aufgabe ist, die beiden Welten zusammenzuführen. Im Ecosystem erfolgreich zu sein.“

Leben, um leben zu lernen

Nicht alles wird gelingen, das weiß sie. Fehler werden passieren, man könne sie auch nicht alle in einer Woche erledigen. Dazwischen müsse Zeit verstreichen: „Man muss leben, um leben zu lernen.“

Ihr Tag sei voll mit Entscheidungen ohne 100-prozentige Absicherung: „Ich kann nicht alle Märkte, alle Kunden in voller Tiefe kennen.“ Aber sie dürfe nicht zulassen, dass Unsicherheit sie bremse, „über das bin ich hinweg“.

Also wette sie: „Worauf setze ich, um erfolgreich zu sein?“ Wetten hieße ja, dass man die Antwort nicht kennen kann, wählen muss, in dieser Welt knapper Ressourcen. Hätte sie weniger fokussiert oder nach dem Gießkannenprinzip gearbeitet, sie wäre nicht so erfolgreich gewesen. Und das war auch eine bewusste Entscheidung.

 

ZUR PERSON

Particia Neumann (46) kehrte im Oktober nach 13 Jahren internationaler Konzernkarriere als Generaldirektorin von IBM Österreich in ihre Heimatstadt, Wien, zurück. Zuletzt war die Wirtschaftswissenschafterin (MBA in International Marketing & Export Financing) Vice President für Systems Hardware Sales und davor für Industry Solution Sales in Deutschland, Österreich und der Schweiz verantwortlich. U. a. war sie Vertriebsdirektorin Financial Services für Europa, den Mittleren Osten und Afrika.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2018)