1:1 in Berlin "Lügen!"

Herthas Stürmer Salomon Kalou (hier mit Kevin Vogt) trifft durch einen Kopfballaufsetzer zum Ausgleich in einem "ordentlichen Bundesligaspiel", so Hertha-Trainer Pal Dardai.

(Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Die TSG Hoffenheim wartet im Jahr 2018 noch immer auf den ersten Sieg, doch Julian Nagelsmann wertet das 1:1 in Berlin dennoch als Zeichen - dafür, dass es keinen Riss zwischen ihm und der Mannschaft gibt.

Von Javier Cáceres, Berlin

Die letzte Szene der Partie gereichte Julian Nagelsmann, 30, zum letzten Beweis einer Gewissheit. "Man hat gesehen, dass wir so gefightet haben, dass wir hätten gewinnen können", sagte der Trainer der TSG 1899 Hoffenheim und hatte da vor allem vor Augen, wie Nadiem Amiri in der Nachspielzeit den Berliner Torwart Thomas Kraft mit einem abgefälschten Distanzschuss zu einer Glanztat zwang, um den 1:1-Endstand festzuhalten. Nagelsmanns Schlussfolgerung: "Es gibt keinen Bruch und auch keinen Riss" zwischen ihm und der Mannschaft. Er spielte damit auf einen Bericht aus der Bild-Zeitung an, in dem unter Berufung auf anonyme Quellen in der Mannschaft von einem tiefen Zerwürfnis zwischen dem Hoffenheimer Team und ihrem jungen Trainer die Rede war. "Lügen!", sagte dazu Hoffenheims Kapitän Kevin Vogt unverblümt.

Schon am Vorabend der Partie in Berlin hatte die Mannschaft von sich aus die Initiative ergriffen und dem Trainer erklärt, dass der Bericht in keiner Weise zutreffe. Es sei "eine eindrucksvolle Botschaft" gewesen, die er auf dem Trainingsplatz erhalten habe, sagte Nagelsmann, als er nach dem 1:1 bei der Hertha im Türrahmen des Presseraums stand und - bei aller äußerlichen Gelassenheit - doch kaum verbergen konnte, dass ihn der Bericht, in dem er unter anderem als angeblich "abgehoben" geschildert wurde, erzürnt hatte. Vielleicht spielte das auch eine Rolle dabei, dass Nagelsmann sich nach dem Remis genügsam gab: "Ich bin zufrieden mit dem Punkt". Obwohl Hoffenheim damit auch im fünften Spiel in Serie ohne Sieg blieb und im neuen Jahr immer noch auf den ersten Dreier wartet. Herthas Trainer Pal Dardai wertete das Unentschieden als das gerechte Resultat: "Es war ein richtiges Unentschieden" in einem "ordentlichen Bundesligaspiel".

Darüber konnte man zwar geteilter Meinung sein, für größere Diskussionen aber sorgte vor allem die Entstehung des Führungstors der Hoffenheimer, das Andrej Kramaric (39. Minute) per Foulelfmeter erzielte. Nach zwei Hereingaben, die parallel zur Grundlinie durch den Hertha-Strafraum geflogen waren, kam Hertha-Verteidiger Niklas Stark im Strafraum nahe der Grundlinie an den Ball - und nahm nicht wahr, dass sich in seinem Rücken Nico Schulz heranschlich, um ihm den Ball zu stibitzen, ehe er über das Schussbein von Stark fiel und den Elfmeterpfiff provozierte. "Nach alter Schule", so formulierte es Herthas Trainer Dardai, wäre das eindeutig Abseits gewesen - der Strafstoß hätte also nicht gegeben werden dürfen.

Demirbay verletzt sich wahrscheinlich schwer

Der Deutsche Fußballbund (DFB) aber belehrte am Samstagabend darüber, dass das von Referee Deniz Aytekin geleitete Schiedsrichterteam richtig lag. Die Abseitsstellung von Schulz sei "aufgehoben" gewesen, weil Herthas Stark eine neue Spielsituation entstehen ließ, indem er den Ball stoppte. Ärger gab es auch bei den Hoffenheimern, denn eigentlich wollte Nadiem Amiri schießen. Kramaric aber wollte sich nach 18 torlosen Spielen den Elfmeter nicht nehmen lassen. Nagelsmann zeigte Mitleid mit seinem Kollegen Dardai: "An Pals Stelle würde ich mich aufregen." Erst recht, weil der Treffer den Hoffenheimern genug Sicherheit verlieh, sich vor der Pause noch zwei gute Chancen zu erspielen, die aber Serge Gnabry (42.) und wieder Kramaric (44.) vergaben. "Das waren sechs Minuten, in denen Chaos herrschte", sagte Dardai.

Die dramatischste Szene spielte sich allerdings nach knapp einer Viertelstunde an der Seitenlinie ab: Herthas Verteidiger Jordan Torunarigha war bei einem Pass auf den Knöchel des deutschen Nationalspielers Kerem Demirbay getreten, der Hoffenheimer musste mit Verdacht auf eine schwere Verletzung ins Krankenhaus. Ansonsten hatte es eine geschlagene halbe Stunde gedauert, bis eine Torchance zu sehen war, die einem Spielzug entsprang. Eine Hereingabe von Rechtsaußen Alexander Esswein leitete Herthas Mittelstürmer Davie Selke am Strafraum weiter; doch Rechtsverteidiger Peter Pekarik legte den Ball aus acht Metern nicht nur an Hoffenheims Torwart Oliver Baumann, sondern auch am linken Pfosten vorbei.

Nach der Pause legten die Hoffenheimer zunächst eine größere Aggressivität an den Tag. Sie rochen, dass sie nun weniger Probleme haben würden, die Lücken in einer um größere Risikofreude bemühten Berliner Mannschaft zu finden. Das Ausgleichstor konnten sie allerdings nicht verhindern: Herthas Stürmer Salomon Kalou traf nach Flanke des extrem fleißigen und um individuelle Glanzpunkte bemühten Valentino Lazaro (58.) durch einen Kopfballaufsetzer, es war sein achtes Tor der laufenden Saison. Gleichwohl: Auch die Hertha hat in diesem Jahr noch nicht gewonnen, die Berliner blicken nun auf vier Spiele ohne Sieg zurück. Was man machen müsse, um das zu ändern? "Besser Fußball spielen", sagte Herthas Torschütze Solomon Kalou.