Am Herd

Magie! Sie sieht aus wie eine Elfe!

Und da stehe ich im Kaufhaus zwischen all den Roben und wünschte mir, das Kind würde wie weiland Aschenputtel von einer Fee eingekleidet.

Es ist nicht so einfach, das passende Ballkleid zu finden.
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Es ist nicht so einfach, das passende Ballkleid zu finden.
Es ist nicht so einfach, das passende Ballkleid zu finden. – (c) Clemens Fabry

Also der Schulball. Also ein Kleid. Nicht irgendein Kleid, Marlene hat da sehr präzise Vorstellungen: Es muss schwarz sein. Nicht grau, anthrazit oder taubenblau, nicht gestreift oder mit irgendeiner hellen Borte: rein schwarz. Der Stoff darf nicht steif sein. Kein Tüll! Keinesfalls Tüll! Spitze ist sowieso was für Omas, bei Pailletten mag sie schon das Wort nicht, und die kleine schwarze Blume da an der rechten Schulter ist auch schon zu viel. „Bitte, Mama! Ich hab's dir doch gesagt!“


Ja, hat sie. Also durchkämme ich die Gänge nach schlichten schwarzen Kleidern, als würde sich „schlicht“ und „Ballkleid“ nicht irgendwie ausschließen. Im ersten, das sie anzieht, wirkt mein sonst so ultracooles Mädchen wie die eigene Tante. Das zweite flattert um die Taille. Das dritte glänzt, ich erfahre, das ist auch verboten. Das vierte ist dunkelrot – ich bringe sie, oh Wunder, trotzdem dazu, es zu probieren! –, und Marlene sieht darin aus wie Schneewittchen: Das dunkle Haar leuchtet, und ihre blauen Augen blitzen noch einmal so blau.

Marlene zieht es angeekelt aus.

Ich schwitze. Ich wünsche mir, alles wäre wie im Märchen und das Kind würde wie weiland Aschenputtel von einer Fee eingekleidet. Einer Fee könnte sie auch nicht widersprechen. Feen haben es leicht.

Ich habe es schwer. Das war schon mit Hannah so. Stundenlang zogen wir durch die Geschäfte, es sollte etwas Dezentes, Unauffälliges sein, ein dunkler Hosenanzug vielleicht, immerhin trug sie ja sonst auch nie Kleider, nur Jeans und Leiberln, tagein, tagaus. Sie probierte und probierte, in der Kabine hingen schon vierreihig die ausgemusterten Stücke, da tauchte plötzlich eine bekannte Gestalt zwischen all den Roben auf. Eine ehemalige Kollegin! Meine rettende Ritterin! Sie sah meine Verzweiflung, schritt kurz die Gänge ab, griff nach einem Kleid, einem knallroten, wallenden mit raffiniertem Dekolleté, grell, auffällig, mit einem Wort völlig unpassend.

Zauberei! Es war perfekt.


Boots dazu. Und diesmal? Diesmal brachte ich Marlene einfach alle schwarzen Kleider, derer ich habhaft werden konnte, darunter auch eines mit weich schwingendem Rock (gut), transparenten Einsätzen (oh, Schreck) ein paar Perlen (noch mehr Schreck) und einem zarten Kragen. Viel zu mädchenhaft für mein rabaukiges Girl, viel zu verspielt für meine coole Kröte, die am liebsten Rock hört und in XXL-Pullis herumläuft.

Magie! Sie sieht aus wie eine Elfe!
Auf dem Ball trug sie dann freilich zum Elfenkleid ihre Lieblingsboots. Die seien viel bequemer. Sah wirklich super aus.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2018)

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