Boxen Eine Frage der Werte

Zehn Monate lang hat Robin Krasniqi nicht mehr gekämpft - er musste erst lernen, seinem eigenen Körper wieder zu vertrauen.

Von Benedikt Warmbrunn

Robin Krasniqi hat sich die Bilder aus dem April 2017 irgendwann noch einmal angeschaut: ein Ring, zwei Boxer, zwölf Runden lang. Den einen Boxer hat Krasniqi sofort erkannt, das war Arthur Abraham, die berühmteste Glatze des deutschen Boxens. Den anderen Boxer konnte er dagegen nicht so einfach identifizieren. Optisch wirkte er vertraut, Krasniqi sah allerdings auch einen Mann, der müde wirkte, kraftlos, und ein Boxer, der müde und kraftlos wirkt, wirkt eben immer auch ein bisschen ängstlich. So einen Boxer kannte Krasniqi nicht. Um so schwerer war es für ihn zu akzeptieren, dass dieser Boxer er selbst war, Robin Krasniqi.

An diesem Samstag boxt der Münchner erstmals seit fast zehn Monaten wieder, seit jenem Abend, an dem er gegen Abraham einstimmig nach Punkten verloren hat. Sein Gegner in Weißenfels ist der Pole Bartlomiej Grafka, ein Aufbaugegner, mit mehr Niederlagen als Siegen im Kampfrekord. Doch Krasniqis eigentlicher Gegner ist er selbst, Robin Krasniqi.

Zehn Monate ohne Kampf sind eine lange Zeit für einen Boxer, gerade für einen, den der vergangene Auftritt in eine kleine Sinnkrise gestürzt hat. Krasniqi sagt, dass er seit der Niederlage gegen Abraham nicht an sich selbst zweifle. Aber er weiß eben auch nicht so richtig, wo er sich selbst gerade einzuordnen hat. "Wenn ich den Kampf gegen Abraham sehe, spüre ich im Herzen, dass etwas falsch war."

„Wenn ich den Kampf gegen Abraham sehe, spüre ich im Herzen, dass etwas falsch war“: Robin Krasniqi (r.) bei seiner Niederlage im April 2017.

(Foto: Christian Schroedter/imago)

Hätte er den Kampf gewonnen, hätte Krasniqi um die Weltmeisterschaft im Supermittelgewicht boxen dürfen. Aber die Niederlage war nicht das Problem, es war ja bereits Krasniqis dritter verlorener Kampf; die beiden ersten waren Duelle um die WM gewesen. Niederlagen gehören für einen Boxer, der sich vor großen Gegnern nicht drückt, manchmal dazu, das weiß Krasniqi.

Was er bis zu jenem Abend gegen Abraham nicht wusste: Dass er selbst in einem Körper stecken könnte, den er nicht mehr als seinen eigenen erkennt.

Es gibt Boxer, die wissen, dass sie sich auf ihren harten Schlag verlassen können. Andere vertrauen auf ihre Technik, weil diese sie auch aus kniffligen Lagen befreit. Wieder andere wissen, dass sie so verrückt sind, dass der Gegner Angst vor ihnen hat. Krasniqi wusste immer, dass er einen perfekt eingestimmten Körper hat.

Auch vor seinem Kampf jetzt gegen Grafka redet Krasniqi ausführlich darüber, was er seinem Körper alles abverlangt hat. Er sagt: "Wenn du eine Stunde lang das Training geschwänzt hast, wirst du im Ring merken, dass dir diese eine Stunde fehlt." 17 Wochen habe er im vergangnen Jahr insgesamt in einer Sportschule im Bayerischen Wald trainiert. In den Wochen kurz vor dem Kampf folge er einer strengen Diät (vier Tage lang nur Fisch und Geflügel, dann drei Tage lang nur Reis, Gemüse und Salat, dann wieder von vorne). Die Werte bei allen Kraft- und Ausdauertests seien besser als je zuvor. Nur war das alles vor dem Kampf gegen Abraham nicht anders.

Krasniqi über seine WM-Chance

"Als ich als 17-Jähriger angefangen habe, dachte ich, dass die Box-Welt riesengroß sei. Inzwischen weiß ich, dass sie gar nicht so groß ist. Es gibt gar nicht so viele, die besser sind."

Krasniqi sagt, dass er bis heute nicht verstehe, warum er gegen Abraham "so schnell so leer" gewesen sei. "Um zu verstehen, dass ich das vielleicht nie herausfinden werde, habe ich ein bisschen Zeit gebraucht." Er war lange in Italien im Urlaub, dann noch ein paar Wochen in seiner Heimat im Kosovo. Dann fing er wieder an zu trainieren. Und er spürte, dass es ihm wieder Spaß machte, den eigenen Körper zu quälen. Und er spürte auch, dass er wieder in seinem eigenen Körper steckte. "Ich glaube weiterhin fest daran, dass ich Weltmeister werden kann", sagt Krasniqi. Warum? "Es gibt keinen Boxer, der einen fitteren Körper hat als ich. Solange ich den habe, muss ich mir selbst treu bleiben."

30 Jahre ist er inzwischen alt. Es bleiben also noch genug Jahre, um sich zu quälen. Und sollte er noch einmal scheitern, bleiben immer noch genug Jahre, um sich weiter zu quälen. Krasniqi möchte am liebsten noch 2018 zum dritten Mal um die WM boxen. "Aber wenn es dieses Jahr nicht klappt, ist das nächste Jahr ja auch gleich da."