In so einem Arbeitsleben ist kaum etwas von größerer sozialer Bedeutung als der Gang in die Kantine. Schreckliche Gefahren sind damit verbunden. In Hamburg aber gefährdet eine Kantine jetzt den kommunalen Frieden. Und hey, irgendwann sind Wahlen, nicht wahr?
In so einem Arbeitsleben ist ja kaum etwas von größerer sozialer Bedeutung als der Gang in die Kantine. Schreckliche Gefahren sind damit verbunden: Sucht man sich die falsche Kantinenbegleitung aus, muss man sich womöglich eine halbe Stunde lang Beziehungsgeschichten anhören, für die man sich nicht interessiert, oder noch schlimmer: Büroklatsch, den man schon kennt. Sucht man sich gar keine Kantinenbegleitung aus, ist man auf die Entstehung einer Es-kann-jeder-mitkommen-Gruppe angewiesen. Die Es-kann-jeder-mitkommen-Gruppe besteht in der Regel aus zwei Leuten, die sich verabredet hatten, und ein paar anderen, die sich aufgedrängt haben, bis es so viele wurden, dass ohnehin schon alles egal ist. Es kann dann besser oder schlechter laufen, das gilt auch für das Essen an sich.
Mancher findet ja, so ein Kantinenmittagessen sollte hauptsächlich billig sein und fordert in jeder Mitarbeiterumfrage mit Nachdruck sein Recht auf Backfisch für 2,50 Euro. Andere finden, das Angebot könnte ruhig mal stärker auf die Ökobilanz achten, und außerdem frei sein von Gluten, Laktose, Zucker, tierischem Eiweiß und was sonst noch alles zu einem frühen Tod verhelfen könnte. Insgesamt kann das Meckern über das Essen sogar einen Backfisch-Fan und einen Gluten-Paniker verbrüdern, die sich in einer Es-kann-jeder-mitkommen-Gruppe zu einer erstaunlich harmonischen Paarung zusammenfinden. Nichts ist so verbindend wie ein gemeinsamer Grund zum Maulen.
Nur in seltenen Fällen wird eine Kantine aufrichtig geliebt, wie jene im Hamburger Stadtteil Billstedt. Dort hat sich um die Kantine des ansässigen Ortsamts nun ein kommunales Drama entwickelt. Denn die Billstedter Ortsamts-Kantine soll Ende Juni geschlossen werden. Weil das Gebäude marod und eine Sanierung viel zu teuer wäre, heißt es. Dagegen formiert sich nun erbitterter Widerstand, allerdings nicht von den Mitarbeitern des Billstedter Ortsamts. Die, so konnte man neulich erfahren, mögen die Kantine nämlich nicht und bringen deshalb in großer Zahl lieber ein Schinkenbrot von zu Hause mit. Geliebt wird die Kantine dagegen von Rentnern, die in der Gegend wohnen. Sie finden sich dort jeden Tag pünktlich um elf zum Mittagessen ein. Die Billstedter Kantine habe sich zum sozialen Treffpunkt entwickelt und dürfe nicht geschlossen werden, argumentieren sie. Ihr Unmut erreichte die Stadtpolitik: Die sucht jetzt dringend nach einer Ersatz-Kantine. Nur für die Rentner, versteht sich. Himmel, irgendwann wird schließlich wieder gewählt, nicht wahr? Darauf ein Schinkenbrot.