Di, 30. Jänner 2018

Im Fall jener 13 Kinder, die in Kalifornien von ihren eigenen Eltern eingesperrt und teilweise an ihr Bett gekettet wurden, hat sich ein bekanntes Entführungsopfer aus Österreich zu Wort gemeldet. Gegenüber dem britischen „Telegraph“ meint Natascha Kampusch, die jungen Opfer sollten ihre Peiniger, das Ehepaar David und Loise Turpin, im Gefängnis sehen dürfen. Die US-Behörden hatten den Kindern den Kontakt zu ihren Eltern untersagt.

Der Fall der Familie Turpin aus den USA weist einige zum Fall Kampusch auf. Die Österreicherin wurde im Alter von zehn Jahren von Wolfgang Priklopil entführt und befand sich danach acht Jahre in seiner Gewalt. Auch sie war wie die Kinder aus Kalifornien bei ihrer Befreiung stark abgemagert, hatte sie doch ihre Zeit in Gefangenschaft in einem kleinen, stickigen Raum verbringen müssen und nur selten nach draußen gehen dürfen. Auch sie wurde physisch und psychisch gefoltert.

„Es ist schrecklich. Wie können Eltern nur so etwas tun?“, fragt sich die nun 29-Jährige. „Ich kann mir vorstellen, was die Kinder durchgemacht haben, aber ich kann mir nicht vorstellen, warum Menschen solche Dinge tun“, so Kampusch. Es sei jetzt besonders wichtig, mit den Opfern sorgsam umzugehen und einen Plan zu erstellen, was die Pflege, Sicherheit und Bildung betrifft – sie sollen langsam an die Zivilisation gewöhnt werden.

Anders als die US-Behörden hält es Kampusch für wichtig, dass die Kinder Kontakt mit ihren Eltern haben und sie auch im Gefängnis besuchen dürfen. „Sie werden einen Weg finden müssen, ihnen entweder zu verzeihen oder ihnen den Rücken zuzukehren“, erklärt das ehemalige Entführungsopfer. Das würde ihnen helfen, mit der Situation fertig zu werden.

Kampusch: Kontakt zu Eltern wichtig, um Schlussstrich ziehen zu können
Die gebürtige Niederösterreicherin dagegen hatte nie die Gelegenheit, ihren Kidnapper zur Rede zu stellen. Priklopil wählte den Freitod, nachdem sich Kampusch aus ihrer Gefangenschaft in Strasshof in Niederösterreich befreit hatte, und warf sich unter einen Zug. „Die Kinder werden einen Schlussstrich ziehen müssen, um weiterzukommen, also ja, sie brauchen die Gelegenheit, ihre Eltern zu sehen. Auch wenn es nur dafür gut ist, ihnen zu sagen ‚Ich hasse euch, ihr seid ein Monster‘“, findet Kampusch.

Kampusch suchte sich selbst psychiatrische Hilfe
Die Hilfe, die sie nach ihrem Martyrium erhalten habe, sei nicht optimal gewesen. „Als ich mich befreite, hatte ich zwar Unterstützung, aber nicht, was ich erwartet hatte. Die Polizei hatte eigene Psychologen für Krisenmanagement – für Mordfälle und die Opfer von Unfällen und Gewaltverbrechen. Aber sie waren nicht darauf vorbereitet und hatten auch keine Erfahrungen damit, mit Menschen in meiner Situation umzugehen, deshalb hat es für mich nicht funktioniert“, erinnert sich die 29-Jährige an diese schwere Zeit. Sie habe daraufhin selbst einen Kinderpsychiater gesucht, der ihr helfen konnte. Erst nach zwei Jahren Therapie habe sie das Gefühl gehabt, sie sei nicht mehr darauf angewiesen, da alles gut gewesen sei. „Aber es gab so viele andere Probleme, wie die große Medienaufmerksamkeit und die Verschwörungstheorien, also habe ich mich dafür entschieden, weiter zur Therapie zu gehen – bis heute.“