Es gibt nur noch Falkland. Dieses kleinbritannische Inselgrüppchen im Südatlantik, um das 1982 Argentinien und Thatchers Großbritannien einen Krieg ausfochten. Weil die greise Junta aus Buenos Aires durch die Islas Malvinas, so der spanische Name, von der Innenpolitik ablenken wollte. Bekanntlich scheiterte die Eroberung. Viele Soldaten fielen auf beiden Seiten: und das für Tausende von Schafen und gerade einmal etwas mehr als 3000 Einwohner.
Im neuen Roman von Hannes Stein, "Nach uns die Pinguine", sind von der Weltzivilisation nur noch die Falklandinseln übrig geblieben. Nach einem Dritten Weltkrieg und einem rasenden, supertödlichen Superschnupfen haben einzig die Bewohner des abgelegenen Felseneilands überlebt. Die Hauptstadt Stanley ist durch und durch britisch. Doch nun wird der Gouverneur erschlagen aufgefunden. Und zwar in einem von innen abgeschlossenen Raum. Tatwaffe: eine Churchill-Büste. Wer ist der Täter? Was wollte er bezwecken? Und vor allem: Wie kam er oder sie aus dem verschlossenen Zimmer?
Hannes Stein
Nach uns die Pinguine
Ein Weltuntergangskrimi. Galiani, Berlin 2017, 208 Seiten, 19,60 Euro.
Sogenannte locked-room mysteries sind ein klassisches Motiv vor allem der britischen Kriminalliteratur. Zum Kombinationshöhepunkt führte dieses Genre ausgerechnet ein Amerikaner, John Dickson Carr. Und auch Stein ist anglophil. Und dabei hochironisch. So lässt er seinen Roman von Joshua Feldenkrais (der Name ist kein Programm) erzählen, Falklands beliebtestem, weil einzigem Radiomoderator, schwuler Mormone, der eigentlich Jude war und Armageddon zufällig überlebte, weil sein Kreuzfahrtschiff gerade Station in Stanley gemacht hatte. Dabei ist die Kirche der Heiligen der Letzten Tage ebenso untergegangen wie alles andere auch.
Eifrig streut Stein spielerisch eine Fülle an Shakespeare-Zitaten und -Referenzen, auch an "Sagern" ein. Unter anderem amüsiert er sich selber weidlich darüber, einen Säufer namens George Blair auftreten zu lassen - Blair war der echte Name von George Orwell.
Der in Brooklyn, New York, lebende Kulturkorrespondent mehrerer deutscher Zeitungen, 1964 in München geboren, in Salzburg aufgewachsen, in Hamburg erst zum Anglisten, dann zum Journalisten ausgebildet, 2007 Gewinner einer Green Card und seit 2014 amerikanischer Staatsbürger, schrieb mehrere erfolgreiche humoristische Bücher über Auswandern und Nichtdenken und Recht- haben. 2013 legte Stein dann mit "Der Komet" seinen ersten Roman vor, in dem er alternative Geschichtsschreibung durchexerzierte: Vor dem zweiten, erfolgreichen Attentat am 28. Juni 1914 entschließt sich Erzherzog Franz Ferdinand abzureisen: "I bin doch ned deppat, i fohr wieder zhaus!"
Kein Erster Weltkrieg, kein Völkerabschlachten, kein Zerfall Österreich-Ungarns, keine Nazis, kein Zweiter Weltkrieg, Hitler kommt nie über den Status eines erfolglosen Postkartenmalers hinaus, Lenin stirbt als verbitterter Journalist in Zürich, Trotzki bleibt in Wien und schreibt Science-Fiction-Romane.
Es war eine Historienpersiflage mit zahlreichen kabarettistischen Einfällen, Anspielungen und Verfremdungen. Aber bereits dieses Buch hatte damit zu kämpfen, dass die durchaus charmante Ausgangsidee, allzu ausgewalzt, rasch an Roman-Kraft verlor, bis das Ganze am End doch eher a matte Sach war.
Gleiches gilt für "Nach uns die Pinguine". Dramaturgisch versucht der Autor hier vieles: Erlebnisbericht, Ich-Perspektive, Radiodialog, Rätselkrimi, Coming-out-Liebesgeschichte. Doch nichts will ab der Hälfte sich so recht zueinander fügen.
Die Surprise im Finale, besonders die Auflösung des Mordes geraten dann leider ziemlich lächerlich. Damit käme der anglophile Hannes Stein wohl kaum am Portier des Londoner Detection Club, der altehrwürdigen Kriminalautorenvereinigung, vorbei.