Informatik Wie schlau ist die künstliche Intelligenz?

Künstliche Intelligenz ist heute allgegenwärtig. Illustration: Stefan Dimitrov

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Kann eine Maschine so gut denken wie ein Mensch? Diese Frage soll der Turing-Test beantworten. Doch mittlerweile zweifeln immer mehr Wissenschaftler an seinem Nutzen.

Von Boris Hänssler

Es sollte das ultimative Experiment werden, nur deshalb hatte Nathan, der Chef eines Suchmaschinenkonzerns, seinen jungen Angestellten Caleb in seine Villa eingeladen. Nathan stellt Caleb die attraktive Ava vor, einen Roboter, die ihm im sogenannten Turing-Test spielend leicht menschliche Fähigkeiten nachweist. Aber das genügt Nathan nicht. Er möchte herausfinden, ob Caleb sich in Ava verlieben kann, wohl wissend, dass sie eine Maschine ist. Tatsächlich tut er das und hilft ihr sogar zu fliehen. Auf der Flucht aber tötet Ava Nathan und sperrt Coleb in einen Raum, aus dem es kein Entrinnen gibt. Beide hatten ihre kalte Intelligenz unterschätzt.

Der 2015 erschienene britische Spielfilm "Ex Machina" bedient ein Science-Fiction-Klischee: Eine künstliche Intelligenz (KI), gefühlskalt und gefährlich, überflügelt und bedroht die Menschen. Forscher rollen allerdings angesichts solcher Visionen die Augen. Selbst der berühmte Turing-Test löst nur noch wenig Begeisterung aus. Die meisten Wissenschaftler finden, dass er an den relevanten Forschungsthemen vorbei testet und der Öffentlichkeit einen falschen Eindruck von der Leistungsfähigkeit heutiger KI-Systeme gebe.

Der Test basiert auf einer Idee des genialen britischen Mathematikers Alan Turing (1912 - 1954), der die Frage aufwarf, wie man feststellen kann, ob eine Maschine denken könne. Er schlug folgendes Spiel vor: Auf einer Party verstecken sich ein Mann und eine Frau und kommunizieren mit den Gästen ausschließlich schriftlich. Beide versuchen, die Gäste davon zu überzeugen, dass sie die jeweils andere Person seien. Was wäre nun, wenn eine dieser Personen durch eine Maschine ersetzt werden würde? Könnte sie die Gäste ebenso gut manipulieren? Aus dieser Idee entwickelten Forscher nach Turings Tod den nach ihm benannten Test. Dabei chatten ausgewählte Jury-Mitglieder einige Minuten mittels Rechner mit einem unbekannten Gegenüber und müssen durch geschicktes Fragen herausfinden, ob sie mit einem Menschen oder einer Software kommunizieren.

Die Maschine ist unbesiegbar

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Viele Programme zeigen vor allem eines: Menschen lassen sich sehr leicht täuschen

Im Jahr 2014 führten die britische Ingenieurin Huma Shah und ihr Kollege Kevin Warwick an der Royal Society London einen solchen Test durch, und zum ersten Mal gelang es einer Software, ihn zu meistern. Der russische Chatbot Eugene Goostman von Wladimir Weselow konnte in mehreren fünfminütigen Konversationen ein Drittel der Jury-Mitglieder davon überzeugen, ein Mensch zu sein - das reichte, um zu bestehen. Warwick sprach von einem Meilenstein, doch seine Kollegen weltweit protestierten. Eugene gab vor, ein 13-jähriger Junge zu sein, was sein Weltwissen stark einschränkte. "Was Goostmans Sieg wirklich offenbarte, ist die Leichtigkeit, mit der wir andere Menschen täuschen können", schrieb der Kognitionswissenschaftler Gary Marcus von der New York University. Das Programm sei nur deshalb erfolgreich gewesen, weil es mit einfachen Tricks seine Beschränkungen verschleiert hat. Sobald Goostman im Chat überfordert war - was die meiste Zeit der Fall war -, versuchte er, das Thema zu wechseln, Fragen zu stellen oder Witze zu reißen.

Immer mehr Stimmen, darunter Francesca Rossi, KI-Forscherin zuletzt an der italienischen Universität Padua und derzeit bei IBM, fordern daher neue Teststandards. "Der Turing-Test hat unseren Ansatz zur modernen KI-Entwicklung maßgeblich geprägt, weil er erstmals einen Standard schuf, um die Intelligenz des maschinellen Lernens zu messen", sagt Rossi. "Allerdings wurde der Test vor mehr als sechs Jahrzehnten eingeführt. Inzwischen ist er eher ablenkend als förderlich, da er als Benchmark keine praktische und umfassende Messung der KI-Fähigkeiten bietet, wie sie heute existieren."

Auch sei die Frage noch immer nicht beantwortet, was Intelligenz eigentlich ist, sagt Christian Bauckhage vom Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme in Sankt Augustin. "Es ist extrem schwierig, Intelligenz zu beschreiben. Bedeutet es, Sachen zu erkennen, Pläne zu machen, in der Umwelt zu überleben? Ein präzise Definition gibt es nicht, und das war Turing klar." Deshalb sei er bei seiner Spielidee davon ausgegangen, dass Intelligenz im Auge des Betrachters liege.

Als Bauckhage noch an der Universität Bielefeld tätig war, entwickelte er Roboter, die als Assistenten für Menschen eingesetzt werden sollten. Sie konnten Audiosignale verarbeiten, aber oft verstanden sie selbst einfache Sätze nicht, zum Beispiel "Hol mir mal ein Glas". Die Forscher lösten das Problem durch eine simple Ergänzung: Die Roboter sagten: "Entschuldigen Sie, ich bin nur ein Roboter, könnten Sie den Satz wiederholen?" Das fanden die Testnutzer gut. "Das reichte aus, damit sie dachten, der Roboter sei intelligent", so Bauckhage.