Mit 57 zu 43 Prozent konnte sich Wohnbaustadtrat Michael Ludwig gegen seinen Konkurrenten Andreas Schieder durchsetzen
Wien – Michael Ludwig skizziert seine Pläne kurz zusammengefasst so: Er werde in offenen Bürgergesprächen in allen Wiener Bezirken ausloten, wo der Schuh der Wiener und Wienerinnen drückt. Außerdem, so sagt der künftige Wiener Stadtchef im Interview mit dem ORF-Radio, dass es auch unter seiner Ägide nach 2020 keine Koalition mit den Freiheitlichen geben werde. Jetzt will Ludwig auch seine Partei befrieden.
Denn die Wiener SPÖ hat sich am Samstagnachmittag entschieden. "Wir haben einen neuen Vorsitzenden", sprach der Wahlkommissionsvorsitzende Jan Krainer die erlösenden Worte in der Messe Wien: "Michael Ludwig." Mit 57 Prozent lag Ludwig deutlich vor seinem Konkurrenten Andreas Schieder mit 43 Prozent. Insgesamt wurden 972 Stimmen abgegeben, demnach haben nicht alle der 981 Wahlberechtigten den Weg zur Urne geschafft, 965 Stimmen waren gültig.
Der 56-Jährige Wohnbaustadtrat, dem man schon lange Ambitionen für den Job nachgesagt hatte, betonte, er wolle jene, die ihn nicht gewählt haben, "die Hand reichen". Begleitet wurde Ludwigs Ansprache von tosendem Applaus.
Neubeginn
"Nach diesem Landesparteitag beginnen wir neu", versicherte Ludwig im Anschluss an die Sitzung. Nun müsse man "Emotionalitäten außen vor lassen". Er sei ein "Freund des Brückenbauens", das werde er nun auch tun.
Die Vorsitzsuche der SPÖ sei "ein langer Prozess in der Öffentlichkeit" gewesen, doch nun abgeschlossen. Wie es mit dem Team der Stadtregierung weitergeht, ließ Ludwig noch offen. Es werde eine "Strukturklausur" geben, die darüber berät. Diese soll die inhaltlichen, aber auch personellen Weichen für die SPÖ Wien legen. Bis dahin wolle er als erstes ein Vier-Augen-Gespräch mit Häupl führen, dann sich an den Koalitionspartner wenden. Die Bezirksvorsitzenden der SPÖ werden ebenso in den nächsten Tagen zum Gespräch gebeten.
Wie die Übergabe des Bürgermeisteramtes ablaufen soll, werde Ludwig "in Einvernehmen mit Michael Häupl" entscheiden. Auch eine Zusammenarbeit mit Schieder könne Ludwig sich "gut vorstellen".
Niederlage
Dieser wiederum gab sich nach der Wahlniederlage sportlich. Er habe vor der Wahl betont, dass die Wiener SPÖ hinter dem neuen Vorsitzenden stehen werde. Er werde sich auch daran halten. "Das gilt auch nach der Wahl. Jetzt ist es entschieden. Michael Ludwig hat die Abstimmung gewonnen", so Schieder. Das Ergebnis sei, "wie es ist".
Glückwünsche schickte Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger. "Gemeinsam werden wir uns den Herausforderungen die vor uns liegen stellen", schrieb die Stadträtin. Frauenberger wurden ebenso wie Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky Sympathien für Schieders Team nachgesagt. Czernohorsky erklärte via Twitter: "Ich gratuliere dir, Michael Ludwig zur Wahl. Vor uns liegen viele Herausforderungen."
Es war ein konstruktiver, einender Parteitag, das stimmt mich positiv für die Zukunft!
— Jürgen Czernohorszky (@ChairNoHorseKey) January 27, 2018
Ich gratuliere dir, Michael Ludwig zur Wahl. Vor uns liegen viele Herausforderungen, wir haben viel vor und ich bin davon überzeugt: Gemeinsam werden wir das schaffen!
Auch Finanzstadträtin Renate Brauner, die – wie sie auch nach der Wahl betonte – Schieder "für den besseren Kandidaten" gehalten hatte, pochte im Gespräch mit dem STANDARD auf Zusammenhalt: "Beide Kandidaten und auch die Wiener SPÖ haben durch den Prozess gewonnen." Wichtig sei nur, dass es nun "eine geeinte Sozialdemokratie" gebe und Wien sich gegen die "Angriffe der schwarz-blauen Bundesregierung" wehre. Zudem erteilte Brauner ersten Rücktrittsspekulationen um ihre Person eine Absage: "Ich bin gewählt."

Unter den delegierten Schieder-Sympathisanten suchte man indes Erklärungen. Ludwig hatte einen Vorsprung. Er habe bereits ein Jahr vor Schieder seinen Wahlkampf um den Posten als Bürgermeister begonnen. Dafür sei das Ergebnis kein schlechtes. Die ein oder andere Träne ließ sich bei den enttäuschten Unterstützern jedoch nicht verbergen.
Königsmacher
Auf der anderen Seite fand man wiederum große Freude. Ludwig habe das von Anfang an in der Tasche gehabt, heißt es hier. Die Flächenbezirke hätten sich als Königsmacher herausgestellt.

Häupl hatte bereits angekündigt, auch den Job als Bürgermeister Ende Mai zu übergeben. "Michi, wenn jemand über dich komisch redet, vergiss es", sagte Häupl bei seinem Abschied in Richtung Ludwig. Auch er habe Kritik von der Partei und den Medien aushalten müssen.
Abschied
Häupl wurde nach der Wahl Ludwigs von der Wiener Partei verabschiedet. Es sei ein "emotioneller Augenblick" nach 25 Jahren Abschied zu nehmen. Er bleibe aber in der Sozialdemokratischen Bewegung und engagiere sich, "wo immer man mich braucht." Die Sozialdemokratie sei für Häupl "mein Leben."
Zwar sei nicht jeder Tag "gleich gut" gewesen, aber insgesamt waren es "fantastische 25 Jahre", sagte Häupl sichtlich gerührt zum Abschied nachdem Ernst Molden, Walter Soyka und Hannes Wirth ihr eigens für Häupl komponiertes Lied vortrugen. Doch schnell fing er sich und erklärte mit klassischem Häupl-Schmäh in Bezug den nicht enden wollenden Standig Ovations: "Habt's ihr heut nix besseres zu tun?"

Ludwigs erste Amtshandlung war ein Antrag, Häupl zum Ehrenvorsitzenden zu machen. Die Delegierten beruhigte er: "Ihr müsst jetzt nicht darüber abstimmen." Der Antrag sollte per Akklamation angenommen werden. (Oona Kroisleitner, David Krutzler, Video: Kathrin Burgstaller, 28.1.2018)