• vom 27.01.2018, 07:00 Uhr

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Letzter Rettungsanker




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Von Tamara Arthofer

  • Der HSV will mit einem neuen Trainer dem Abstieg entgehen. Doch die Probleme liegen tief.

Magath-Schüler Bernd Hollerbach soll’s für die Hamburger richten.

Magath-Schüler Bernd Hollerbach soll’s für die Hamburger richten.© Daniel Reinhardt/dpa/ap Magath-Schüler Bernd Hollerbach soll’s für die Hamburger richten.© Daniel Reinhardt/dpa/ap

Leipzig/Hamburg. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott gar nicht erst zu sorgen. Das wissen sie in Hamburg nur zu gut, seit Jahren taumelt der Fußball-Traditionsverein HSV von Krise zu Krise, von einem Abstiegskampf zum nächsten. Diesmal ist es nicht anders: 15 Punkte aus 19 Spielen, vier Siege, drei Unentschieden und zwölf Niederlagen, das ergibt vor dem Spiel am Samstag bei RB Leipzig (15.30 Uhr) Platz 17 in der deutschen Bundesliga - fünf Punkte fehlen auf einen Nichtabstiegsplatz.

Dass es nun ausgerechnet Bernd Hollerbach richten soll, ein Trainer also, der noch nie hauptverantwortlich einen Bundesligisten gecoacht und als größten Erfolg den (zwischenzeitlichen) Aufstieg der Würzburger Kickers in die zweite Liga in seiner Vita stehen hat, sorgte zusätzlich für Häme: So viel Weitsicht, einen Übungsleiter mit Zweitliga-Erfahrung zu holen, habe der HSV bisher nicht bewiesen, so der Tenor der kritischen Kommentare im Internet. Jetzt, da das Narrativum von der Unabsteigbarkeit - das Gründungsmitglied der Bundesliga musste seitdem nie den Gang in die Zweitklassigkeit antreten - zur hohlen Phrase zu verkommen droht, ist Galgenhumor der eine Rettungsanker, den sie in der Hansestadt auswerfen. Der andere heißt tatsächlich Hollerbach, mangelnde Bundesliga-Erfahrung hin oder her. Schließlich geht der 48-Jährige gerade so als eine Art Identifikationsfigur in Hamburg durch, das er seine "zweite Heimat" nennt und wo er von 1996 bis 2004 als knallharter Verteidiger gespielt hat. Zudem genießt er als Schüler von Felix Magath, als dessen Assistent er 2009 unter anderem deutscher Meister mit Wolfsburg wurde, einen gewissen Ruf. Er vereine "Disziplin, natürliche Autorität und Herzlichkeit", meinte Sportdirektor Jens Todt über die Qualitäten des Nachfolgers von Markus Gisdol. Magath selbst ließ den Fans bereits ausrichten, dass man davon ausgehen könne, die Mannschaft werde nun "besser trainiert" und wohl mit dem Abstiegskampf nichts zu tun haben. Doch indessen regen sich Stimmen, die meinen, ein radikaler Schnitt samt Neubeginn würde dem Klub vielleicht gar nicht schlecht tun. Denn dass die Probleme nicht nur auf der Trainerbank liegen, beweist die Tatsache, dass sich in den vergangenen zehn Jahren dort schon 14 verschiedene Persönlichkeiten versucht haben, letztlich allesamt erfolglos.


Ohne Plan
Sind sie alle gescheitert - oder war es doch eher die Vereinspolitik, die zu der Negativspirale geführt hat? Immer mehr beantworten die Frage eindeutig mit Zweiterem. Schließlich beschäftigt der HSV keine Wirtshaustruppe, sondern eine Mannschaft, für die die Gehaltsaufwendungen in der oberen Hälfte der Bundesliga angesiedelt sind. Und nicht nur auf dem Trainerposten herrschte zuletzt ein reges Kommen und Gehen, auch am Spielersektor wirken die Transfers oftmals willkürlich. Im Sommer etwa wurde der österreichische Teamstürmer Michael Gregoritsch an Augsburg abgegeben, wo er alleine im Herbst mit acht Toren schon mehr als halb so viele Treffer erzielte als der HSV insgesamt. Kritiker bemängeln, dass der Einfluss von Spielerberatern und anderen Einflüsterern zu groß sei, was zu wirren Personalentscheidungen geführt hätte.

Klub-Chef Heribert Bruchhagen und Sportdirektor Todt waren im Vorjahr angetreten, um genau das zu unterbinden und für Kontinuität zu sorgen. Doch nach zuletzt vier Niederlagen hintereinander habe man sich gezwungen gesehen, die Reißleine zu ziehen und mit Hollerbach neue Impulse auf der Trainerbank zu setzen. "Wir hoffen natürlich, dass der Trainer die Verunsicherung löst", sagt Bruchhagen, doch so einfach ist das nicht. Den Anschein des Zusammengewürfeltseins konnte die Mannschaft bisher nicht auslöschen, und Zeit für einen gezielten Aufbau ist ebenso wenig vorhanden wie Geld für tatsächliche Verstärkungen. Die teuren Transfers, aber auch die Trainerabfertigungen haben den Schuldenberg auf mehr als 100 Millionen Euro anwachsen lassen, Gönner Klaus-Michael Kühne gibt sich vorerst zurückhaltend.

Bei manchen Fans sorgt indessen gerade das für Hoffnung, dass man aus der Not nun eine Tugend machen könnte: Zum einen sehen viele den Einfluss Kühnes kritisch, zum anderen verfügt der HSV über Talente, die so zu ihrer Chance kommen könnten - und sei es in der zweiten Liga. Hollerbachs Vertrag gilt auch für sie - ungewohnt weitsichtig eben.




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Copyright © Wiener Zeitung Online 2018
Dokument erstellt am 2018-01-26 17:02:08
Letzte Änderung am 2018-01-26 17:08:07