"Ich bin nicht alt, ich bin betagt!", hat Charles Aznavour kürzlich in einem Interview klargestellt. Wer würde dem energischen Franzosen widersprechen. Und 93 ist ja wirklich kein Alter im Showgeschäft. Da würde Johannes Heesters noch aus dem Jenseits schalschwingend und zylinderlüpfend zustimmen. Ein paar Tage nach seiner Ansage trat Aznavour in der Wiener Stadthalle auf und musste dort zugeben, dass sogar an ihm der Zahn der Zeit nagt: "Ich höre schlecht, ich sehe schlecht und das Gedächtnis ist auch nicht mehr das beste. Daher gönne ich mir drei Teleprompter."
Die Demütigung einer technischen Hilfeleistung, quasi das Rollator-Pendant für Pop-Exzentriker, will sich Elton John offenbar ersparen. Der britische Popstar hat diese Woche angekündigt, dass er nur mehr eine Welttournee absolvieren werde. Wenn die zu Ende ist, ist Elton John 73 - für Aznavour-Verhältnisse also immer noch ein Backfisch - und Pop-Pensionist. Er werde zwar noch Alben einspielen, aber ansonsten für seine Kinder da sein. Richtig spießig sesshaft werden steht auf dem Plan: "Ich sitze, seit ich 16 war, hinten in irgendeinem Bus, ich fliege 180 Mal pro Jahr. Ich kann körperlich nicht mehr so viel fliegen, ich will nicht mehr reisen, ich will zu Hause sein."
Zu alt zum Headbangen
Elton John war aber nicht der Einzige, der in dieser trüben Jännerwoche bekanntgab, dass das Alter seinen Tribut verlangt. Von allen Genres der Populärmusik nimmt wahrscheinlich der Metal seine Protagonisten am meisten körperlich her. Headbangen ist nun einmal keine Erholung für den Bewegungsapparat. Tom Araya (56), "Sänger" der Band Slayer, musste das branchenübliche Kopfwerfen bereits aus gesundheitlichen Gründen einstellen - was ihm laut eigenen Aussagen die Freude an der Musik herzlich vergällt hat. Nun haben Slayer verkündet, dass nach einer Abschiedstournee Schluss sein werde.
Neil Diamond (77) kann nicht einmal eine solche machen - mit "Widerwillen und Enttäuschung" teilte er mit, dass er an Parkinson leidet und die Krankheit ihn so behindert, dass er, der noch vor sechs Jahren meinte, er fühle sich genauso wie mit 30, seine laufende Tour beenden muss. Eine Sangeskollegin von Diamond, Linda Ronstadt, teilt sein Schicksal und hat bereits erklärt, wie Parkinson eine Karriere ruiniert (ihre im Jahr 2013): "Ich kann keine Note mehr singen. Keiner kann mit Parkinson singen, ganz egal, wie sehr du dich bemühst."
Gerade beim Älter-Werden zeigt sich die Schlüssigkeit des eigentlich so widersprüchlichen Begriffs "Popstar". So sehr der "Star" sich von seinem schmachtenden Gefolge als unerreichtes Himmelsgeschöpf abhebt, so "populär" im Sinne von volksnah wird er dann, wenn die ersten Zipperlein auftauchen. Die sich durchaus so deprimierend darstellen können, wie es Joni Mitchell (74) in einer Tagung zum Thema "Altern in Amerika" berichtet hat: "Ich kann nicht mehr unterscheiden, ob eine Beschwerde nun davon kommt, dass ich älter werde, oder ob es von einer Krankheit kommt." Mitchell leidet an einer Kehlkopferkrankung und den Folgen von Polio. "Meine Stimme habe ich wohl dauerhaft verloren. Ich habe kein Instrument mehr, das ich kontrollieren kann."