Facebook Süchtig nach Daten

(Foto: Igor Ovsyannykov/Unsplash)
Von Caspar Busse und Helmut Martin-Jung

Marc Benioff, 53, ist nicht nur von seiner Physiognomie her ein Schwergewicht. Der Chef des 80-Milliarden-Dollar-Unternehmens Salesforce ist einer der wichtigsten Manager im Silicon Valley, sein Wort hat Gewicht. Ausgerechnet er rechnet nun mit Facebook ab. Soziale Netzwerke seien wie Zigaretten: "Sie machen süchtig, und sie tun einem nicht gut", sagt Benioff am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. Deshalb, so der Salesforce-Mann, müsse es auch eine Regulierung geben wie bei der Tabakindustrie. "Ganz klar, ich denke, Technologie hat süchtig machende Eigenschaften, um die wir uns kümmern müssen", so Benioff. Die Regierungen müssten sich einschalten. So offen hat bislang noch kein führender Manager aus dem Silicon Valley harte Maßnahmen gegen Facebook gefordert.

Apple-Chef Tim Cook hatte sich vor Kurzem noch vorsichtiger geäußert. Immerhin: Er möchte nicht, dass sein Neffe auf einem sozialen Netzwerk aktiv ist, sagte er. Doch die Kritik an dem Unternehmen, das 2004 vom damaligen Studenten Mark Zuckerberg gegründet wurde und inzwischen zwei Milliarden Nutzer weltweit hat, wird heftiger - und die Reaktionen des Unternehmens hilfloser. Am Donnerstag entschied der Europäische Gerichtshof in Luxemburg, dass der österreichische Datenschutz-Aktivist Max Schrems in seiner Heimat gegen Facebook klagen darf.

Scott Galloway, Professor an der New York University, kritisierte vor einigen Tagen auf der Digitalkonferenz DLD in München, dass die vier großen Technologieunternehmen - neben Facebook Amazon, Apple und Google - mittlerweile so mächtig seien, dass Wettbewerb massiv verhindert werde. "Wir müssen etwas tun", sagte Galloway und forderte die Zerschlagung. Besonders Facebook sei in Gefahr und könne in drei Teile gespalten werden: in das soziale Netzwerk, den Nachrichtendienst Whatsapp und die Foto-App Instagram, Letztere hatte Facebook übernommen.

Kartellamt: Facebook missbraucht seine Macht

Der Konzern habe ein "Quasi-Monopol", erklären die Wettbewerbshüter. Das gehe zu Lasten der Nutzer, die sich gegen den großen Datensammler nicht wehren könnten. Von Jannis Brühl, München, und Benedikt Müller, Bonn mehr ...

Sorge um den Wettbewerb hat auch das Bundeskartellamt in Bonn, das derzeit ein Verfahren gegen Facebook führt und kurz vor Weihnachten eine Art Abmahnung verschickt hat. "Facebook macht von Internetnutzern ein echtes Profiling, fast im kriminaltechnischen Sinn", kritisierte vor vier Wochen Andreas Mundt, Präsident des Kartellamts. Es gehe um Daten, die für viele wirklich individuell seien und nicht ohne Weiteres zusammengeführt werden dürften. Facebook missbrauche derzeit ganz klar seine Marktmacht.

Unmut löste zudem Facebooks jüngster Strategiewandel aus. Den Nutzern sollen wieder mehr Beiträge von Freunden und Verwandten und weniger von Medien und Firmen angezeigt werden, teilte das Unternehmen mit. Die Mitglieder sollen nun selbst entscheiden, was seriös ist. Rupert Murdoch, 86, der unter anderem das Wall Street Journal und die Londoner Times verlegt, hat vorgeschlagen, dass Facebook Medienkonzernen Gebühren für die Verbreitung ihrer Inhalte überweisen soll. Die Medien-Inhalte steigerten den Wert von Facebook, aber die Anbieter würden dafür nicht angemessen entlohnt. "Wenn Facebook vertrauenswürdige Verlage anerkennen will, sollte es ihnen eine ähnliche Gebühr bezahlen, wie sie bei Kabelunternehmen üblich ist", sagte Murdoch. Deutsche Verleger begrüßten den Vorstoß.

Kritik gibt es auch an Facebooks Umgang mit Hassmeldungen und mit klar strafbaren Inhalten. Deutschland hat sogar ein Gesetz, das Netz-DG, erlassen, das soziale Netzwerke wie Facebook dazu verpflichtet, solche Inhalte zu löschen. Viel Unmut hatte in den USA die Rolle hervorgerufen, die Facebook 2016 im US-Wahlkampf gespielt hatte, als russische Propagandafabriken unter anderem Werbung zugunsten des republikanischen Bewerbers an 150 Millionen US-Nutzer von Facebook und Instagram ausgespielt hatten.