Bausünden: Zu schön, um schiach zu sein

Führung Schandfleck Fremdenführerin Hoenwarter Ulr…
Foto: KURIER/Gilbert Weisbier Fremdenführerin Hoenwarter Ulrike

Wer mutmaßliche Bausünden bei Touren anprangert, erhält Post vom Anwalt.

Darf öffentlich über Bautätigkeit diskutiert werden? Ja, sollte man meinen. Doch in der Praxis bekommt man es schnell mit Klagsdrohungen zu tun. Das erleben derzeit Guides in Wien und Krems, die touristische Führungen zu ihrer Meinung nach verunglückten Bauprojekten anbieten. Sie wollen sich aber nicht einschüchtern lassen und treten für ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ein.

Auf ein großes, durchwegs positives Echo ist der KURIER-Bericht vom vergangenen November über die Initiative einer Kremser Fremdenführerin gestoßen, die die Zerstörung historischer Ensembles in Krems anprangert. Beispielsweise einen Wohnbau, der nur wenig Meter neben einer idyllischen Kapelle in die Höhe wächst und sie mit seiner Kubatur quasi erdrücke. Solche "Schandflecken" will Ulrike Hohenwarter demnächst mit einer eigenen Tour vorstellen, um die Diskussion zum Thema Stadtgestaltung zu beleben. Doch einem gefällt die Idee gar nicht: Noch bevor die erste Führung stattfand, hat sie ein Bauunternehmer per Anwaltsbrief aufgefordert, ihre Behauptungen zurückzunehmen, und seine Objekte nicht in der Führung zu erwähnen.

Ungeheuerlich

"Das ist grundsätzlich ungeheuerlich", findet Rechtsanwalt Christian Hirtzberger, der Hohenwarter vertritt. Sie empfindet den Brief als Einschüchterungsversuch. "Wir haben zum Glück Meinungsfreiheit", sagt sie.

Dem gebürtigen Briten Eugene Quinn erging es ganz ähnlich. Auch seine "Ugly Vienna"-Tour stieß auf Widerstand. Das Management eines prominenten Hotels drohte ihm mit Klage und forderte ihn zur Zahlung von 2000 Euro auf. Auch der Erbauer einer Wohnanlage drohte mit dem Gericht.

Quinn  bleibt aber entspannt: "Ich liebe Wien. Die Führungen sollen ein Betrag zur Diskussion sein, die Verbesserungen bewirkt." Die Anwaltsbriefe ignoriert er.

Der betroffene Kremser Bauunternehmer argumentiert, er habe zur Kapelle mehr Abstand gehalten, als das Gesetz verlangt. Sein Gebäude sei zudem vom städtischen Baubeirat "abgesegnet" worden. Dessen Auftraggeber, die Stadt, ist es, die eigentlich im Visier von Hohenwarters Kritik steht. Sie fragt wie Quinn in Wien: Wie kann eine Stadtverwaltung so etwas überhaupt zulassen?

Fachleute

Der während der Genehmigung des Kremser Projekts zuständige jetzige Vizebürgermeister Erwin Krammer (ÖVP) meint, Baukritik solle man "Fachleuten überlassen", nämlich dem Gestaltungsbeirat. Dessen damalige Leiterin, Architektin Anne Mautner Markhof, bringt Licht in die Angelegenheit: "Wir haben durch unser Einschreiten verhindert, dass noch näher, nämlich bis auf drei Meter an die Kapelle herangebaut wurde." Entstanden sei das Problem , weil im Vorfeld niemand eine widersinnige Grundteilung verhindert habe.

"Der Campus der alten Wirtschaftsuniversität Wien ist wahrlich kein Ort der Begegnung und Kommunikation. Er wirkt wie mit Bauklötzen hingestellt, es fehlte offensichtlich Inspiration, hier einen Ort für wissbegierige Menschen zu schaffen", sagt Eugene Quinn. Dass auf dem Franz-Josefs-Bahnhof Züge an- und abfahren, kann man wirklich nicht erkennen. Das Areal wirkt verlassen, fast wie die Kulisse eines Science-Fiction-Films. „Der Dialog mit der Straße fehlt, für einen Bahnhof ein Desaster“, so Quinn.  Das Collegium Hungaricum in der Hollandstraße: „Man war sichtlich bemüht, aber  
Bemühen und Wollen allein machen noch keine gute Architektur“, erklärt Quinn „Es ist sehr aggressiv und stolz, ein kleines Gebäude mit großen Ambitionen. Wäre es eine Person, dann wäre es Wladimir Putin“, sagt Eugene Quinn. Für Architekt Günther Domenig ist das Gebäude auf der Favoritenstraße ein Schlüsselbau für seine Arbeit. Der Stahlbetonbau hatte aber von Anfang an viele Gegner – Darth Vader lässt grüßen Martialisch steht er mitten im barocken Augarten, größer könnte der Kontrast kaum sein. Hässlich ist der Flakturm aber nicht, eher schön-schirch wie Mick Jagger, so Eugene: „Zu interessant, um hässlich zu sein.“ Wiener selbst kennen den internationalen Busterminal ViB kaum, aber dafür Wien-Besucher, die mit dem Bus anreisen. Da entwickelt sich keine Liebe auf den ersten Blick, denn hier ist es laut, stinkig, düster, unfreundlich und schäbig. Auf Eugenes „ugly tour“ findet sich auch das barocke Interieur der Karlskirche, weil es zu viel Bling-Bling sei, ohne ein ersichtlichliches Konzept. „Es erinnert eher an einen Rapstar, der mit Schmuck protzt.“
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