Nur wenige Themen wie etwa die Zuwanderung werden detailliert geregelt. Zu etlichen anderen wie Gesundheitspolitik oder bezahlbares Wohnen findet sich nichts Konkretes. Auch eine steuerliche Entlastung unterer und mittlerer Einkommen fehlt.
Das Sondierungsergebnis von CDU, CSU und SPD trägt auf dem Deckblatt keine Überschrift. Das mag ein Versehen sein, geschuldet dem nächtlichen Verhandlungsmarathon. Oder aber Absicht, weil die Beteiligten sich schlicht noch nicht haben einigen können auf einen klaren Wegweiser durch eine weitere gemeinsame Legislaturperiode. Auch weil Naheliegendes wie "Neuer Aufbruch" von den 28 Seiten des Sondierungspapiers nach Ansicht vieler Kritiker nicht unbedingt getragen wird.
Rente, Bürgerversicherung, bezahlbares Wohnen, Umverteilung und Steuergerechtigkeit: Das waren Themen, die den Wahlkampf bestimmten. CDU, CSU und SPD wollten sich mehr als bisher um die Nöte der Bürger kümmern. Im Sondierungspapier finden sich die Versprechen dazu nur bedingt wieder.
Parteitage sind unberechenbar
Wer konkrete Maßnahmen gegen steigende Mieten sucht, stößt auf einen allgemeinen Absatz dazu. Wer nach der Bürgerversicherung sucht, die die SPD vehement gefordert hatte, oder generell nach einem Einstieg in den Ausstieg aus der Zwei-Klassen-Medizin, findet nichts. Der künftigen Gesundheitspolitik sind 16 Zeilen gewidmet. Spärlich sind auch die Ausführungen darüber, wie Digitalisierung und Arbeitswelt zusammengebracht werden sollen. Glasfasernetze werden erwähnt, eine digitale Verwaltung und die Vollendung des digitalen Binnenmarktes.
Große Projekte sind das nicht. Zumal auch das Kleingedruckte fehlt: Die Sondierer führen nicht aus, was konkret sie anpacken wollen. Nur bei Migration und Integration geht das Sondierungspapier ins Detail. Drei Seiten lang sind die Vereinbarungen, von der Begrenzung des Familiennachzugs bis zur Bearbeitung der Asylanträge ist alles geregelt.
Ausweg im Steuerstreit: Nichts tun
Vergessen ist offensichtlich auch, dass alle drei Parteien im Wahlkampf eine Steuerreform versprochen hatten. Mindestens 15 Milliarden Euro Steuersenkungen jährlich hatte die Union zugesagt, zuzüglich der schrittweisen Abschaffung des Soli-Zuschlags. Ähnliches wollte auch die SPD. Man war sich einig, dass der Mittelstandsbauch schlanker werden und der Spitzensteuersatz nur für Spitzenverdiener gelten sollte; der Steuertarif sollte so angepasst werden, dass insbesondere die unteren und mittleren Einkommen entlastet werden. Im Sondierungsergebnis ist davon nichts zu finden.
Der Grund dafür: Die Unterhändler von SPD und CSU verhakten sich bei der Frage, wie die Steuersenkungen für Geringverdiener und die Mittelschicht gegenfinanziert werden könnten. Die SPD wollte den Spitzensteuersatz später greifen lassen und von 42 auf 45 Prozent erhöhen. Die CSU wollte zwar auch den Steuertarif verschieben, war aber strikt gegen den höheren Satz. Nach langem Gezerre blieb nur der Ausweg, nichts zu tun.
Sollte sich daran auch in den Koalitionsverhandlungen nichts ändern, dann bleibt es dabei, dass die letzte große Steuerreform in Deutschland vor 18 Jahren verabschiedet wurde: von der rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder.