Sigrid: Mit Wut im Bauch zum Sieg

The Nobel Peace Prize concert honouring the laurea
Foto: REUTERS/NTB SCANPIX Sigrid Solbakk Raabe wurde am 5. September 1996 in Ålesund in Norwegen geboren.

Die Gewinnerin der Talente-Liste der BBC kommt aus Norwegen.

Was genau passiert ist, als Produzenten während einer Songwriting-Session versuchten, sie als unwissendes Dummchen hinzustellen, sagt Sigrid nicht. Schon gar nicht, wer diese Männer waren. Wichtig ist ihr, dass sie diese Erfahrung gut genützt hat.

Voriges Jahr konterte die als Sigrid Raabe geborene Norwegerin diesen "miesen Kommentaren" mit dem Song "Don’t Kill My Vibe". Jetzt hat die 20-Jährige – vornehmlich aufgrund dieses Hits – den ersten Platz der "Sound Of 2018"-Liste der BBC erobert.

Dafür bestellt die BBC seit 2003 alljährlich eine Jury aus Journalisten, DJs und Konzertveranstaltern, die aus einer Longlist eine nach Plätzen gereihte Shortlist von jenen Newcomern ermitteln, die in diesem Jahr "aller Voraussicht nach" den Durchbruch schaffen werden.

2018 sind das Pop-Klänge. Sigrid hat sich mit der Ende vorigen Jahres erschienen EP auf einen durchaus charttauglichen Sound verlegt, der sich von elektronisch vorwärtstreibendem Durchschnittspop vor allem durch die ausgeklügelten Melodien und den Gesang von Sigrid abhebt, die beide von der Singer/Songwriter-Tradition geprägt sind. So klingt die Newcomerin dann am eindringlichsten, wenn sie Songs wie "Dynamite" oder auch "Don’t Kill My Vibe" pur, akustisch und alleine mit dem Klavier interpretiert.

Aufbauend

"Melodien zu finden, die sofort einnehmend sind, aber trotzdem nicht alltäglich, macht mir am meisten Spaß", sagt sie. "Ich will interessanten Pop machen, der mutig, frech und humorvoll ist. Und ich will – wie in ,Don’t Kill My Vibe‘ – negative Emotionen nehmen und sie in etwas Aufbauendes verwandeln."

Ob die Jury mit Sigrid richtig getippt hat, bleibt abzuwarten. Zwar hat die Liste in den Nuller-Jahren der Öffentlichkeit Künstler wie Adele, Mika, Franz Ferdinand und Florence & The Machine vorgestellt. Sie lag aber auch oft genug daneben: Lady Gaga, die danach alles dominierte, wurde 2009 nur Sechste, während von der damaligen Siegerin Little Boots nur wenige Insider etwas gehört haben. Auch HAIM (Sieger 2013) und Ray BLK, die Siegerin des Vorjahres, konnten sich nicht wirklich durchsetzen.

Künstlerin / SIGRID… Foto: Universal Music

Insofern geht die Kritik, dass der Gewinn der BBC-Liste so einen Hype erzeugt, dass der Erfolg des Siegers danach ein Selbstläufer ist, ins Leere. Natürlich werfen Major-Labels all ihre Macht und jede Menge an Marketinggeldern ins Spiel, um ihre Gewinner danach zu pushen. Aber weder Ellie Goulding noch Jessie J (Gewinner von 2010 und 2011) hat das eine Weltkarriere eingebracht, weil die Macht der großen Plattenfirmen, die Trends zu setzen, mit Spotify und YouTube rasant geschwunden ist. Heute finden Musikfans ihre neuen Lieblings-Sounds und -Künstler über das Teilen in sozialen Medien und weit weniger über Powerplay im Radio.

Was auch gegen den Durchbruch von Sigrid spricht: Die BBC unterscheidet bei den Nominierten nicht, ob sie aufgrund von Qualität und Eigenständigkeit oder wegen der kommerziellen Nutzbarkeit ihres Sounds auf die Liste kommen. Als Sieger gingen daraus in den letzten Jahren – genau wie heuer – eher die kommerzielleren Pop-Acts hervor. Langfristig etabliert haben sich aber nicht sie, sondern Künstler mit alternativen, innovativeren Sounds, Musiker wie Kwabs, Royal Blood, The Weeknd, Wolf Alice und FKA Twigs. Sie alle standen mal auf der Longlist, schafften es aber nicht auf die Shortlist.

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