Ski Alpin Janka rebelliert gegen das Normale

Rückkehr nach Wengen: Carlo Janka stand in Wengen bereits achtmal am Podest.

(Foto: AFP)
Von René Hauri, Wengen

Am Montag saß Carlo Janka auf einer schmalen Holzbank in der kleinen Bahn nach Wengen. So, wie das alle tun, die hoch wollen in das beschauliche, autofreie Dorf am Fuß der mächtigen Berglandschaft von Eiger, Mönch und Jungfrau. Es ist das letzte Teilstück auf dem Weg zu den Lauberhornrennen, es wäre eigentlich nicht der Rede wert für den Routinier aus Obersaxen in der Schweiz, der diese Reise nun zum zehnten Mal hinter sich gebracht hat. Wäre da nicht diese Vorgeschichte des 31-Jährigen, bei der eben nur das allerletzte Puzzleteil so gewöhnlich erscheint.

Alles beginnt am 24. Oktober. Riesenslalomtraining im Engadin: Der Innenski rutscht weg, Janka verhindert einen Sturz gerade noch, hakt jedoch mit dem rechten Bein am nächsten Tor ein. Es wird heftig nach hinten geschleudert, bleibt liegen. Kreuzbandriss. Die normale Folge: Operation, sechs Monate Pause.

Janka versucht etwas, woran zuvor Neureuther und Vonn gescheitert sind

Doch Janka findet sich nicht ab mit dem Normalen, mit einem Eingriff, der ihn die Olympiasaison kosten würde. Er will den Riss konservativ behandeln, auch, weil nie klar wird, ob das Band ganz gerissen ist. Es ist ein gewagtes Unterfangen, nicht alle sind begeistert von der Idee. Lindsey Vonn hatte es vor vier Jahren probiert, Felix Neureuther vor ein paar Wochen, beide vor Olympia. Beide ohne Erfolg.

Grüße aus dem Krankenbett

Felix Neureuther und Stefan Luitz sind nach ihren Kreuzbandrissen kurzzeitig Bettnachbarn im Innsbrucker Krankenhaus. Gute Rennfahrer hat der Deutsche Skiverband für Olympia trotzdem noch zu bieten. Von Barbara Klimke mehr ...

Janka sucht den Therapeuten Rolf Fischer auf, bei dem er seit vier Jahren seine ewigen Rückenbeschwerden mittels Manualtherapie behandeln lässt. Bei dieser kommen einzig die Hände zum Einsatz. Janka sagt: "Er sucht schmerzhafte Stellen, schaut, wie die Gelenke funktionieren. Die Geometrie im ganzen Körper muss stimmen, es darf keine Störfelder geben. Er hat die Gabe, das richtig zu erkennen." Dreimal die Woche nimmt er seit Ende Oktober die zweistündige Autofahrt zu Fischer auf sich. Und die Therapie zeigt Wirkung, "es gab keinen einzigen Rückschlag, es hätte kaum besser laufen können", sagt Janka. "Auf den letzten Untersuchungsbildern ist zudem zu sehen, dass sich das Knie ganz gut entwickelt hat, dass alles gut vernarbt ist." Die Frage sei nur: "Ist das alles auch gut genug, um wieder Rennen zu bestreiten?" Und dann auch noch: in der Abfahrt?

Es ist Samstag, eine Woche vor dem Klassiker im Berner Oberland. Janka sitzt in der Lobby eines Hotels in Garmisch-Partenkirchen. Auf der beinharten Weltcupstrecke Kandahar hat er sich gerade erstmals an Rennbedingungen herangetastet. "Ist schon eine ganz andere Liga", sagt er. Nicht zu vergleichen mit der Piste in Engelberg, auf der er sich Ende November zusammen mit seinem Therapeuten an die ersten Schwünge nach dem fatalen Einfädler wagte. Oder mit den Hängen im Wallis, wo ihn sein Skitrainer Jörg Roten allmählich wieder "technisch geschult" hatte, mit simpler Kurssetzung.

Und nun also die Kandahar, die ganz andere Liga, die Ende Januar wieder im Weltcup-Kalender steht. Das Knie, auch wenn es oft geschwollen ist, macht ihm weniger Sorgen als der Kopf. "Das Vertrauen, der Glaube, dass ich das Bein wieder voll belasten kann, das ist noch nicht da." Roten, seit einem Jahrzehnt Jankas Trainer, sagt: "Wenn ein Athlet nicht zu 100 Prozent sicher ist, dass alles hält, dann geht er nicht ganzes Risiko ein, nimmt er die Schläge nicht so wie sonst, zieht er zurück, anstatt voll auf den Ski zu stehen. So ist es bei Janka derzeit. Er fährt abwartend, lässt die schwierigen Stellen auf sich zukommen." Ideale Voraussetzungen, um in den harten Weltcup einzusteigen, sind das nicht. Janka sagt: "Zu 99 Prozent wird es nicht funktionieren. Aber so lange die Chance da ist, werde ich es versuchen."