Deutsche Unternehmen besetzen ihre Aufsichtsräte anders als früher - wegen der Quote. Bei Vorständen sieht es düster aus.
Ohne Geschlechterquote werden die Führungsgremien deutscher Unternehmen kaum weiblicher. Das belegt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. "Zwei Jahre nach Einführung der Geschlechterquote für Aufsichtsräte ergibt sich ein relativ klares Bild: Sie greift, wie in anderen europäischen Ländern auch", sagte Elke Holst, Forschungsdirektorin des DIW. "Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ohne Druck und drohende Sanktionen offensichtlich fast nichts vorangeht." Das zeige der Blick auf die Entwicklung in den Vorständen.
Seit zwei Jahren sind gut hundert Unternehmen dazu verpflichtet, frei werdende Aufsichtsratsposten so lange mit Frauen zu besetzen, bis 30 Prozent des Gremiums weiblich sind. Betroffen sind börsennotierte und zugleich voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen - sie haben in der Regel mehr als 2000 Beschäftigte und einen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite paritätisch besetzten Aufsichtsrat. Im Schnitt haben diese Unternehmen ihre Pflicht nun schon erfüllt: Der Frauenanteil in ihren Aufsichtsräten stieg von 27,4 Prozent in 2016 auf 30,1 Prozent in 2017. Der positive Trend könnte sich fortsetzen, weil einige Firmen die gesetzliche Vorgabe übererfüllen, andere hingegen noch nachziehen müssen.
Ganz anders sieht es bei den Vorständen aus: Kein Zwang, keine Bewegung, was den Frauenanteil angeht. Nur etwas mehr als acht Prozent der Vorstandsposten in den 200 größten Firmen waren 2017 in Frauenhand - genauso wenige wie ein Jahr zuvor. Und unter den Vorstandsvorsitzenden finden sich sogar nur 3,4 Prozent Frauen. "Frauen sind, wenn es um Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft geht, immer noch krass benachteiligt", sagt Bundesfamilienministern Katarina Barley zu den Ergebnissen. Sie erwarte, dass die Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden.
Doch Kritik an der vermeintlichen Bevorzugung von Männern weisen Unternehmen häufig zurück. Aus ihrer Sicht gibt es schlicht nicht genügend Frauen, die für die höchsten Führungsebenen qualifiziert sind. "Vorstände großer Unternehmen müssen jahrelang 500 oder 1000 Mitarbeiter geführt haben, internationale Erfahrung und interkulturelle Kompetenz mitbringen", sagt Frank Beyer, der als Personalberater von LAB & Company Kandidaten für solche Posten sucht.
Frauen mit Vorstandsprofil sind knapp
Ein annähernd ausgeglichenes Geschlechterverhältnis sei momentan selbst mit Quote nicht möglich, sagt Beyer - zu wenige Frauen könnten einen solchen Lebenslauf vorweisen. Auch die Führungsebenen unterhalb der Spitze sind vor allem mit Männern besetzt. "Da müssen gesellschaftlich erst mal die Voraussetzungen geschaffen werden, unter denen Frauen den gleichen Werdegang zum Vorstand nehmen können wie Männer." Noch immer begründen Beyers Wunschkandidatinnen ihre Absagen häufiger als Männer damit, dass beispielsweise Umzüge und Pendeln mit ihrem Familienmodell nicht vereinbar seien. Trotz allem: Ein Frauenanteil von 15 bis 20 Prozent sollte aus Sicht des Personalsuchers auch unter den aktuellen Bedingungen erreichbar sein.
Die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat sind leichter zu erwerben. "Sie müssen verstehen, was das Unternehmen strategisch erreichen will, die Bilanzen einordnen können, um schließlich zu beurteilen, wie der Vorstand arbeitet", sagt Beyer. Es gehe nicht um das Detailverständnis, sondern vor allem um das gezielte Nachfragen. Und das könnten Frauen nach seiner Erfahrung sogar besser: "Männer sind oft zu stolz, Unwissen zu zeigen, Frauen sind unprätentiöser, die möchten das einfach verstehen."