Raumdüfte Die Supernasen

Shizuko Yoshikuni und Manuel Kuschnig kreieren in ihrem Berliner Wohnzimmer Raumdüfte für Unternehmen.

(Foto: Sophia Hauk für femtastics.com)

Zwei Air-Designer mischen in Berlin außergewöhnliche Aromen für Hotels und Boutiquen. Um ein Mittel gegen den Mief geht es ihnen dabei aber nicht.

Von Julia Rothhaas

Dunkel, grün, irgendwie riecht es feucht. Hat es geregnet? Oder hat jemand eben ein paar frische Blätter zwischen den Fingern zerknautscht? Auf jeden Fall Wald, weit, luftig. All das passt auf einen schmalen Streifen Papier, mit dem Shizuko Yoshikuni gerade wedelt.

Die 37-jährige Japanerin hat mit einer Pipette einige Spritzer aus einer kleinen schwarzen Flasche auf das Papier getröpfelt. Wer jetzt die Augen schließt und daran riecht, fühlt sich tatsächlich wie mitten in einem duftigen Wald. Doch Yoshikuni steht in ihrem Wohnzimmer in Berlin-Kreuzberg. Hier, im Obergeschoss eines eher unscheinbaren Wohnhauses, kreiert sie mit ihrem Geschäfts- und Lebenspartner Manuel Kuschnig individuelle Raumdüfte für Luxushotels und Boutiquen weltweit. Der Duft als ultimatives Stilmittel: Indem der Geruchssinn angesprochen wird, soll sich eine Marke den letzten Schliff geben und dadurch alle Sinne seiner Kunden ansprechen, statt sich nur auf Optik, Akustik und Haptik zu verlassen.

Air-Designer, diese Berufsbezeichnung dürften nur wenige Menschen auf ihrer Visitenkarte stehen haben. "Wenn wir erzählen, was wir machen, denken die meisten an die Flaschen aus der Drogerie, in die man ein paar Bambusstäbchen steckt", erklärt Yoshikuni. Doch von solchen Düften ist Aoiro Airdesign, so nennen sie sich, weit entfernt. Das, was die beiden machen, hat nichts mit Raumsprays zu tun, mit synthetischen Parfüms, die erst in der Steckdose anfangen zu wirken, mit Duftlämpchen oder Räucherstäbchen.

Die Air-Designer sammeln Essenzen aus aller Welt in ihren Regalen, die sie - je nach Produkt - individuell zusammenmixen.

(Foto: Sophia Hauk für femtastics.com)

Es geht ihnen nicht um das schnelle Pfff-Pfff oder um eine wirksame Methode gegen Mief in der Wohnung. Sie möchten "einem Duft lauschen", ihn als Moment inszenieren, angelehnt an die japanische Kōh-Dō-Zeremonie, zu der etwa die Blumensteckkunst Ikebana gehört. Ein gelungener Raumduft soll unseren dauerhaft vernachlässigten Geruchssinn stimulieren und das Riechen zur Übung machen. Dabei bleiben sie bodenständig: "Auf uns hat definitiv kein Markt gewartet", sagt Manuel Kuschnig in schönstem Wienerisch.

Ein schlichter Zerstäuber pustet eine kleine Wolke in das Zimmer, in dem Yoshikuni und Kuschnig an einem langen schwarzen Tisch arbeiten. Es dauert ein bisschen, bis sich der hohe Raum mit dem feinen Aroma von Mandarinen und Basilikum füllt. Genau das ist aber schon ein Teil ihrer Kunst: Mit ihren außergewöhnlichen Düften soll kein Kunde und kein Mitarbeiter erschlagen werden. Ihre Produkte sind vielmehr so dezent, so subtil, dass mancher Kunde anfangs gar davon enttäuscht war. "Die meisten Menschen sind komplexe, starke Düfte gewohnt, die voll reinhauen," sagt Yoshikuni.

Wenn man das feine Schnuppern nicht gewohnt sei, fühle man sich hingegen schnell verloren. Sie müssen gegen die kurze Aufmerksamkeitsspanne ankämpfen, in der es sich die meisten von uns gemütlich eingerichtet haben. "Ich habe neulich einen Artikel über den Musik-Streamingdienst Spotify gelesen", sagt Kuschnig. "Der hat die ganze Industrie verändert, weil ein Lied heute innerhalb der ersten fünf Sekunden gefallen muss, bevor User weiterklicken. Mit dem gleichen Problem haben wir auch zu kämpfen, nur mit einem anderen Sinnesorgan."

Ingwer, Zedernholz, Yuzu: Pro Duft kommen bis zu 15 Inhaltsstoffe in die Flasche

Aoiro Airdesign stellt keine Massenware her, ihren Kunden überreichen sie am Ende meist nur einen Liter der fertigen Essenz, das reicht etwa für ein Jahr - je nach Räumlichkeit. Sie verwenden ausschließlich natürliche Inhaltsstoffe, die nicht mit Wasser vermischt werden, sondern pur in einen Diffusor, einen Zerstäuber, kommen. Der kleine Kasten, nicht viel größer als ein Packen Druckerpapier, wird im Boden oder in der Wand eingebaut. Im Inneren steckt die Duftflasche, alle zwei bis drei Minuten stößt der Apparat einen Schwupps Essenzen in den Raum, der sich dort als sehr feiner Dampf verbreitet. Durchgängig benebelt wird nicht, schließlich soll niemand Kopfschmerzen davon bekommen. Im Gegensatz zu anderen Zerstäubern werden die Aromen nicht erwärmt, denn die Hitze verändert die Zusammensetzung und verwischt damit die Komposition.

Ingwer, Zedernholz, Bergamotte, Zypresse, Nana-Minze oder Yuzu-Frucht: Pro Duft kommen bis zu 15 Inhaltsstoffe in die Flasche, die sie aus über 200 Essenzen auswählen und sich aus aller Welt schicken lassen. Nach etwa sechs bis acht Wochen präsentieren sie ihren Kunden dann meist vier verschiedene Düfte, die sich nur noch in Nuancen unterscheiden.