- Die Bundesregierung dringt zum Prozessauftakt gegen einen mutmaßlich in Berlin entführten vietnamesischen Geschäftsmann auf ein rechtsstaatliches Verfahren.
- Dem ehemaligen KP-Funktionär und früheren Chef eines staatlichen Erdölförderanlagen-Unternehmens werden Missmanagement und Unterschlagung vorgeworfen.
- Bei einer Verurteilung drohen ihm eine langjährige Haftstrafe oder sogar die Todesstrafe.
Ein gutes halbes Jahr nach seiner Verschleppung in Berlin steht der vietnamesische Ex-Funktionär und Geschäftsmann Trinh Xuan Thanh in seiner Heimat vor Gericht. Zusammen mit 21 weiteren Angeklagten muss sich der frühere Öl-Manager in einem Korruptionsprozess in Hanoi wegen Veruntreuung, Missmanagement und Annahme von Schmiergeldern verantworten. Im schlimmsten Fall droht die Todesstrafe. Thanh war im Juli mutmaßlich vom vietnamesischen Geheimdienst aus Berlin entführt worden.
Anlässlich des Prozessbeginns hat die deutsche Bundesregierung ihre scharfe Kritik an der Regierung in Hanoi bekräftigt. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte vor Journalisten, Berlin habe "von Anfang an die Entführung klar und deutlich als völlig inakzeptablen Bruch des Völkerrechts und als Vertrauensbruch verurteilt". Regierungssprecher Steffen Seibert fügte hinzu, es sei "klar gesagt" worden, "dass dadurch das Vertrauen zwischen unseren beiden Regierungen zerstört ist".
Das Auswärtige Amt dringe darauf, dass der Prozess "unseren hohen rechtsstaatlichen Ansprüchen genügt", sagte der Ministeriumssprecher. In vertraulichen Gesprächen sei "deutlich gemacht" worden, "dass wir von der vietnamesischen Seite Signale erwarten, die uns dabei helfen, über diesen Vertrauensbruch hinwegzukommen". Die Regierung in Hanoi wisse, was sie zu tun habe, "um zu einer Normalisierung der Beziehungen zurückzukehren".
Auswärtiges Amt sprach von "Menschenraub"
Thanhs deutsche Anwältin glaubt nicht an einen rechtsstaatlichen Prozess für ihren Mandanten. Es habe bereits bis Mitte Oktober gedauert, bis überhaupt ein Anwalt zu ihm gedurft habe, sagte Petra Schlagenhauf. Vor Ort wird Thanh von vier vietnamesischen Verteidigern vertreten.
Der 51-jährige Thanh war 2016 ins Ausland geflohen und hatte in Deutschland um Asyl gebeten. Nach seinem Verschwinden Ende Juli 2017 aus Berlin war der Ex-Funktionär der Kommunistischen Partei im Staatsfernsehen vorgeführt worden. Der Fall löste eine Krise im diplomatischen Verhältnis beider Länder aus: Das Auswärtige Amt sprach von "Menschenraub" und "Entführung". Die vietnamesische Regierung bestreitet die Vorwürfe, sie betont, Thanh sei freiwillig zurückgekehrt, um sich dem Verfahren zu stellen.
Seit einiger Zeit geht Vietnams politische Führung verschärft gegen die grassierende Korruption im Land vor. Kritiker vermuten jedoch vor allem politische Motive. Der Chef der Kommunistischen Partei, Nguyen Phu Trong, gilt als ultrakonservativ. Seine Anti-Korruptions-Kampagne wird in erster Linie als Strategie gewertet, parteiinterne Rivalen um den früheren wirtschaftsliberalen Ministerpräsidenten Nguyen Tan Dung kaltzustellen. Diesem Lager wird auch Thanh zugerechnet.