Bayern Wie soll die Nachmittagsbetreuung für Grundschüler aussehen?

Freizeit mit Lerneffekt, so läuft Nachmittagsbetreuung im Idealfall: Familienministerin Emilia Müller bei einem Medienprojekt mit Hortschülern.

(Foto: Catherina Hess)
Von Anna Günther und Johann Osel

Der Plan der Staatsregierung, doch für einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler einzutreten, nimmt grobe Konturen an. Dennoch scheinen entscheidende Fragen weiterhin ungeklärt zu sein. Familienministerin Emilia Müller (CSU) hatte bei einem Pressetermin zum Jahreswechsel angekündigt, den Rechtsanspruch forcieren zu wollen. Ganztagsschulen meinte die Ministerin damit nicht, sondern Nachmittagsbetreuung an der Schule oder zum Beispiel in Horten.

Wie ein Rechtsanspruch in der Praxis aussehen soll, blieb in den Diskussionen bisher schwammig. Auf SZ-Anfrage teilte das Familienministerium nun mit, dass es einen Bedarf von etwa 360 000 Plätzen sieht. Wie viele Plätze an welcher Schule nötig sind, sollen die Kommunen ermitteln; sie sollen außerdem für Personal und Infrastruktur zuständig sein. Man erwarte allerdings auch finanzielle Hilfe vom Bund.

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Käme es zu dem Rechtsanspruch, lasse sich der tatsächliche Bedarf nur schwer prognostizieren, heißt es im Ministerium. Jedoch sei von einer Nachfrage von 80 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen auszugehen - eben die 360 000 Plätze. Im Spätsommer hatte die SPD im Landtag von einem "Grundschulschock" gesprochen, 80 Prozent der Kinder in diesem Alter hätten keine ausreichende Betreuung am Nachmittag.

Diesen Schluss zog die Fraktion aus einer Anfrage, wonach es nur für jedes fünfte der 432 000 Grundschulkinder verlässliche Ganztagsbetreuung gebe, die annähernd Strukturen biete, wie sie Eltern aus den Vorjahren gewöhnt seien. In den Kitas nämlich seien es - hier gilt ein Rechtsanspruch - 98 Prozent. Die 20 Prozent an laut SPD zuverlässiger Betreuung setze sich zusammen aus Hortplätzen, Tagesheimen oder Einrichtungen wie Kinderhäusern; dazu kämen weitere 20 Prozent der Grundschüler, die eine "zeitlich eingeschränkte Mittagsbetreuung" nutzen könnten; auch gebe es knapp zwölf Prozent in Ganztagsschulen, "die alle nicht bis zum Feierabend der Eltern dauern".

Diese Formen der flexibel gehaltenen Betreuung wertet die Fraktion nicht als verlässlich. Das definiert die Staatsregierung anders, auch wenn sie sich auf dieselben Zahlen stützt. Laut Müller werden mehr als die Hälfte der Kinder ganztägig und damit verlässlich betreut; sie rechnet die Mittagsbetreuung mit ein.

"Erhebliche Qualitätsunterschiede"

Die SPD aber sieht in der Individualität auch "erhebliche Qualitätsunterschiede". Es sei nicht mal gewährleistet, dass die Kinder bei den Hausaufgaben betreut werden. Dazu komme, dass Angebote unterschiedlich viel kosteten, von gratis bis zu einigen hundert Euro im Monat im Fall von privaten Trägern. Tatsächlich ist die Ganztagsbetreuung an Grundschulen bisher ein ziemliches Durcheinander.

Dies fiel auch dem Obersten Rechnungshof auf, der 2016 das Kultusministerium rügte. Die Prüfer beklagten fehlende Qualitätsstandards und zu großen Verwaltungsaufwand. An vielen Grundschulen dauert die Betreuung nur über die Mittagszeit bis 14 Uhr, an anderen bis 15.30 oder 16 Uhr. Oft werden die Gruppen ehrenamtlich organisiert. Zuständig sind in der Regel die Kommunen. Die CSU-Fraktion und Schulminister Ludwig Spaenle sehen darin eine Vielfalt, die den Wünschen aller Eltern gerecht werden soll.