JVA Plötzensee Auf Wiedersehen!

Ab durch die Mauer: Die Überwachungskamera der JVA Plötzensee filmte Ende Dezember den Ausbruch der vier Männer um 8.49 Uhr. Erst um 9.30 Uhr aber wurde im Gefängnis der Alarm ausgelöst.

(Foto: AP)

Der Berliner JVA Plötzensee sind innerhalb von fünf Tagen neun Häftlinge entwischt. Einige sind wieder da, zum Teil freiwillig. In der Hauptstadt wundert all das höchstens den Justizsenator.

Von Hannah Beitzer

Freiheit ist viel lustiger. So steht es wie zum Hohn in lila Schrift auf einer kleinen Mauer auf dem Parkplatz vor Aldi, daneben ein Pfeil, der über die Ausfallstraße auf ein Gebäude weist, dessen durchlöcherte Wand inzwischen sogar die Zuschauer der britischen BBC kennen: die Justizvollzugsanstalt Plötzensee in Berlin. Die ist in den vergangenen Wochen in die Schlagzeilen geraten, weil ihr innerhalb von fünf Tagen neun Häftlinge abhandengekommen waren, vier davon durch das nunmehr weit über die Grenzen Berlins hinaus berühmte Loch in der Mauer.

Berlins Justizsenator Dirk Behrendt hat deswegen die erste Krisenwoche seiner Amtszeit durchlitten, versuchte vor den Kameras zu erklären, was da schon wieder los ist in Berlin, und wirkte dabei selbst recht ratlos. "Man muss eingestehen, wir haben unsere Aufgabe, unsere Gefangenen sicher zu verwahren, hier an der Stelle nicht erfüllen können", sagte er im Fernsehen. "Kein schöner Jahresbeginn" sei das gewesen, er bedauere, dass der Eindruck entstanden sei, Gefangene könnten einfach rein- und rausgehen.

Die Polizei rekonstruiert die Vorgänge so: Am 28. Dezember waren vier Gefangene aus dem geschlossenen Vollzug über einen Lüftungsspalt in der Mauer geflohen. Mit einem aus der Autowerkstatt des Gefängnisses entwendeten Trennschleifer und einem schweren Hammer hatten sie eine Betonstrebe in dem Lüftungsspalt zerstört. Schließlich zwängten sie sich durch die enge Öffnung ins Freie und krochen unter dem Außenzaun des Gefängnisses in die Freiheit. Drei von ihnen meldeten sich in der vergangenen Woche zurück, der vierte wurde am späten Freitagabend bei einem Taschendiebstahl im Stadtteil Friedrichshain gefasst.

Häftlinge entkommen durch Loch in Gefängnismauer

Die vier Männer sollten eigentlich in einer Kfz-Werkstatt auf dem Gelände der JVA Plötzensee arbeiten. Stattdessen bahnten sie sich mit Hammer und Winkelschleifer den Weg in die Freiheit - und sind bislang unauffindbar. mehr ...

In den Tagen nach dem Ausbruch hatten sich fünf Häftlinge aus dem offenen Vollzug abends nicht zurückgemeldet. Von ihnen fehlten laut Justizsenat am Samstag noch zwei. Die CDU-Opposition wertete die Vorfälle als "einmaligen Skandal in der Rechtsgeschichte". Und die Berliner?

Einige Gehminuten entfernt von der JVA sitzen an einem verregneten Abend vier Rentner bei einem Glas Rotwein zusammen in einem italienischen Restaurant zwischen Nachkriegswohnblöcken. Sie winken ab auf die Frage, ob sie wegen der Ausbrüche Angst hätten. "Das waren ja keine Mörder oder Sexualstraftäter", sagt einer von ihnen. Karin, Inge und Klaus heißen die Rentner, nur Vornamen bitte, der vierte möchte lieber ganz unerkannt bleiben. Sie leben in Charlottenburg-Nord in der Nachbarschaft des Gefängnisses, einem Stadtteil mit Sozialwohnungen und Kleingärten, in denen Deutschlandfahnen wehen und Schilder vor dem bissigen Hund warnen.

Die angrenzende JVA Plötzensee, 362 Häftlinge, ist keine Anstalt für die ganz harten Jungs, die sitzen in Tegel oder in Moabit. Die vier Ausbrecher aus dem geschlossenen Vollzug sind laut Polizei zwischen 27 und 38 Jahre alt und sitzen (inzwischen wieder) wegen Diebstahl, räuberischer Erpressung oder schwerer Körperverletzung hinter Gittern. Laut Anstaltsleiter Uwe Meyer-Odenwald dürfen Gefangene in der Autowerkstatt nur nach einem Sicherheitscheck arbeiten. Zur Zeit des Ausbruchs wurden sie von drei Bediensteten überwacht, die in den "verwinkelten Räumen" allerdings nicht alle Häftlinge im Blick haben können. Die Flex und den Hammer, mit dem sie sich in die Freiheit vorarbeiteten, sollen sie aus einem Heizungsraum der Autowerkstatt genommen haben. Wie sie in den üblicherweise verschlossenen Raum gelangen konnten, sei derzeit noch unklar.