"Ein Mord wird angekündigt" nach Agatha Christie mit Erol Sander und einer im Programm nicht genannten beachtlichen Schauspielertruppe
Welche Lampe stand auf dem Tisch: die mit dem Schäfer oder die mit der Schäferin? Eine scheinbar völlig unwichtige Frage. Doch bei Agatha Christie gibt es nichts Unwichtiges, und siehe da: am Schluss stellt sich die Lampen-Frage als wichtige Spur heraus, die zum Täter führt. Oder vielmehr zur Täterin.
Das Wasserburger Theaterbüro Herwegh brachte am Freitag den Christie-Roman "Ein Mord wird angekündigt" auf die Bühne der Wolfratshauser Loisachhalle. Kein ganz einfaches Unterfangen, weist das Buch doch eine Fülle von Personen und Nebenhandlungen auf. Lesend kann man sich allmählich mit den Figuren vertraut machen, eine gewisse Sympathie für sie entwickeln. Im Theater hat der Zuschauer für all das gerade mal gut zwei Stunden Zeit.
Jörg Herwegh, der auch Regie führte, tat daher das einzig Wahre: vereinfachen und auf etliche Nebenstränge verzichten. Doch ganz ohne Komplikationen geht auch nicht, sonst ist der Täter ja offensichtlich. Die Bühnenfassung lieferte einen respektablen Kompromiss, spannend und schlüssig. Wer das Buch nicht kannte, musste höllisch aufpassen, konnte der Handlung aber folgen. Und wer das Buch kannte, langweilte sich auch nicht.
Im Mittelpunkt der Produktion stand der Schauspieler Erol Sander (bekannt aus der Fernsehreihe "Mordkommission Istanbul"), auf den allein die Werbung zugeschnitten war. Aber das ist Boulevardtheater heute: ohne Star, ohne fernsehbekanntes Gesicht geht gar nichts. Sander spielte seine Rolle als Inspektor Craddock, der den Fall lösen und zugleich seine diversen Liebschaften auf die Reihe bringen will, mit sympathischem Augenzwinkern. Wusste er doch: gegen eine Miss Marple steht der beste Inspektor auf verlorenem Posten.
Ein Programmheft gab es nicht, einen Besetzungszettel suchte man vergebens. Die Schauspieler des Abends, die komplexe und umfangreiche Rollen spielten, wurden nirgends namentlich vorgestellt. Außer Superstar Sander natürlich. Dazu gehört schon ein gehöriges Maß an Kaltschnäuzigkeit und Geringschätzung den eigenen Leuten gegenüber. Also so schätzt Herwegh sein Publikum ein: Sie kommen, um Erol Sander zu sehen, alles andere ist egal. Wen interessieren schon die Nichtse, die sich neben Sander auf der Bühne tummeln.
So sei an dieser Stelle versucht, wenigstens einigen von diesen Nichtsen ihren Namen und ihre Würde zurückzugeben. Zunächst Veronika Faber als Miss Marple; ihr Name war auf den Handzetteln zumindest im Kleindruck zu finden. Faber stellte eine ungewöhnlich aktive Miss Marple auf die Bühne, die mit Maßband und Lupe auf Spurensuche ging. Doch letztlich waren es nicht diese Spuren, die zum Erfolg führten, sondern genaue Beobachtung, geduldiges Zuhören und geschicktes Nachfragen. Zugleich war diese Miss Marple eine moralische Instanz. Als Einzige wies sie bei der Mord-Ankündigung darauf hin, dass ein Mord ja auch ein Opfer braucht.
Gabriele Preuß spielte die dritte Hauptrolle, die der wohlhabenden Letizia - eigentlich Charlotte - Blacklock, Herrin auf Gut Little Paddocks. Preuß gab ein glaubwürdiges Porträt der vornehmen Mörderin, die immer mehr in Verzweiflung verfiel, je mehr ihr scheinbar so perfekter Mordplan seine Lücken offenbarte. Ein köstliches Kabinettstück: ihr Fechtkampf mit der Kohlenschaufel gegen die mit einem Regenschirm "bewaffnete" Miss Marple kurz vor Schluss.
Kirsten Lossin war Miss Blacklocks chaotische Mitbewohnerin Dora Bunner. Ob gewollt oder nicht: Lossin bot eine hinreißende Parodie der AfD-Politikerin Alice Weidel. Constanze Baruschke spielte die ungarische Köchin Mitzi, die immer wieder mit herrlich lautem, penetrantem Petruschka-Deutsch quer über die Bühne fegte. Und Steps Lossin war gleich in einer Dreifachrolle zu erleben: als Inspektor Craddocks fast stummer Assistent Berkley, als schießwütiger Colonel, und als der Ermordete Rudi Scherz.
So konnte sich die Geschichte entfalten. Natürlich war an diesem Abend in der Loisachhalle nicht die allerfeinste Burgtheater-Bühnenkunst gefragt, sondern munteres Hauruck-Spiel, gelegentlich recht derbe Gags eingeschlossen. Wer diese Prämisse akzeptierte, erlebte einen schönen Theaterabend.