Unruhen in Iran Sieben Ursachen für die Unruhen in Iran

Demonstranten stehen am 30. Dezember an einer Kreuzung in der iranischen Hauptstadt Teheran.

(Foto: dpa)
Von Tomas Avenarius, Moritz Baumstieger und Henrike Roßbach

Irans Führung erweckt den Eindruck, nach einer Woche des Aufruhrs habe man die Lage wieder im Griff. Am Donnerstag schickte die Regierung die gefürchteten Revolutionsgarden in mindestens drei Unruheprovinzen und zeigte so, wie ernst sie die Unruhen weiterhin nimmt. Armeechef Generalmajor Abdolrahim Mousavi drohte zudem, seine Truppen seien bereit, "die tölpelhaften Gehilfen des großen Satans USA in die Schranken zu weisen".

Das Regime war offensichtlich davon überrascht worden, wie schnell die Proteste sich ausweiteten, binnen Tagen auf Dutzende Städte, von Teheran bis in die tiefe Provinz. Der Aufruhr spiegelt die tief gehenden Probleme Irans wider: Diese haben den Boden bereitet für große Unzufriedenheit mit dem Regime.

Marode Unternehmen

Nach dem internationalen Atomabkommen mit Teheran ist es durchaus aufwärts gegangen in Iran. Nur eben viel langsamer als die meisten Experten und die Menschen im Land erwartet hatten. Der Internationale Währungsfonds rechnet für das laufende Jahr, das nach iranischem Kalender erst am 20. März endet, mit 4,2 Prozent Wachstum. Durch das Abkommen fielen viele Sanktionen weg, kurzzeitig waren die Wachstumsraten dadurch sogar zweistellig, was aber hauptsächlich an der höheren Ölförderung lag. Das trug nicht weit. Der einstige Wohlstand aus der Zeit vor den Sanktionen ist nicht zurückgekehrt.

"Experten in Iran sind überrascht von den Demonstrationen"

Ginge es allein um die Wirtschaft, hätten die Iraner schon deutlich früher auf die Straßen gehen müssen, sagt Amir Alizadeh von der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer in Teheran. Er sieht ein diffuses Bild. Interview von Barbara Galaktionow mehr ...

Immerhin hat Iran mehr als nur Rohstoffe zu bieten. Die Wirtschaftsstruktur sei diversifiziert, sagt Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. Allerdings sei vieles "wie bei uns vor 50 Jahren". Sprich: Die Industrieanlagen sind oft hoffnungslos veraltet. Einer Modernisierung im Weg stünden die alten Strukturen aus der Zeit der Isolation, sagt Treier und nennt als Beispiele Bürokratie und Korruption.

Das größte Problem aber bleibt die Finanzierung. Noch immer sind amerikanische Finanzsanktionen gegen Iran in Kraft; am Donnerstag wurden fünf Unternehmen zusätzlich auf die Liste gesetzt. Internationale Banken scheuen ein Engagement. Zu groß erscheint ihnen das Risiko, in den USA wegen Sanktionsverstößen belangt zu werden. Manche Hausbanken engagieren sich, aber das reicht nicht für größere Vorhaben. Und Irans Regierung investiert oftmals nicht in Forschung, eine moderne Verwaltung oder neue Straßen, sondern lieber in seine Machtambitionen.

Aggressive Außenpolitik

"Für Iran, aber nicht für Gaza, Syrien oder Libanon", skandieren Demonstranten als Kritik an der Außenpolitik. Die Islamische Republik mischt inzwischen in den Konflikten im Irak, in Syrien, in Libanon und in Jemen mit, auch offen militärisch, und gibt dafür ungezählte Milliarden aus, die anderswo fehlen. Als die USA 2003 Saddam Hussein stürzten und so ungewollt Irans Gegengewicht ausgeschaltet hatten, gewann Teheran Handlungsfreiheit. Erst wuchs der Einfluss im Irak, durch kostspielige religiöse und wirtschaftliche Aktivitäten an den heiligen Schiiten-Schreinen Najaf und Kerbela, dazu kommen Milliarden-Investitionen im Südirak und ebenso teure Waffenhilfe für anti-amerikanische Milizen.

Spätestens von 2012 an griff Iran zusammen mit der Hisbollah in den syrischen Bürgerkrieg ein, Syriens Präsident Baschar al-Assad wäre ohne die Militärhilfe der Iraner und der Russen von den Rebellen gestürzt worden. Auch die Atompolitik, ob militärisch oder zivil motiviert, hat Unsummen verschlungen. Zudem hat sie internationale Sanktionen provoziert, die die Wirtschaft massiv geschädigt haben.

Irans Gegner sehen hinter der kostspieligen aggressiven Außenpolitik und der undurchsichtigen Nuklearpolitik einen Masterplan: Die Islamische Republik, erklärter Feind Israels, wolle ihre Schlagkraft mit einer Landbrücke über den Irak und Syrien an die Grenze des jüdischen Staats vorschieben. Dafür spricht, dass Teheran die kampfstarke Hisbollah in Libanon schon seit den 1980er-Jahren unterstützt.

Zweiter Hauptfeind Irans ist der sunnitische Nachbar Saudi-Arabien. Auch dieser Konflikt spiegelt sich in Syrien wider, wo die Saudis die Anti-Assad-Rebellen unterstützen. In Jemen haben sich schiitische Rebellen gegen die Zentralregierung erhoben; eine von Saudi-Arabien geführte Koalition bombardiert diese, während Iran die Aufständischen eher verdeckt unterstützt.