Schluss mit dem Pessimismus: Die europäische Wirtschaft wächst so stark wie seit zehn Jahren, die Industrie ist sogar so optimistisch wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Wer jetzt weiter von Krise redet, der spielt vor allem den Populisten in die Hände.
Europa geht es gut, erstaunlich gut, endlich! Aber die meisten EU-Bürger nehmen es gar nicht wahr. Denn Europa: Das war fast ein Jahrzehnt die Chiffre für Krise. Die Bilder dazu lieferten Merkel, Juncker, Draghi und Co.: Man sah sie bei nächtlichen Krisentreffen, mit tiefen Ringen unter den Augen, sie schnürten Rettungspakete und mühten sich, die Währungsunion - und damit die gesamte EU - vor dem Zerfall zu bewahren. Und nun? Gilt Europa plötzlich als Lokomotive der Weltwirtschaft. Wird gelobt vom Internationalen Währungsfonds. Man höre und staune!
Europa erlebt seine Wiederauferstehung: Die Wirtschaft wächst so stark wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Und diese Woche meldete das Markit-Institut sogar die besten Werte seit zwei Jahrzehnten, es befragt regelmäßig die Einkaufsmanager von 3000 Unternehmen der europäischen Industrie nach ihrer Stimmung - und so optimistisch wie diesmal waren die Industrieunternehmen zuletzt 1997 ins neue Jahr gestartet. Und weil die Auftragslage der Unternehmen bestens ist, wollen sie entsprechend kräftig in Maschinen, Anlagen und Arbeitsplätze investieren. Davon profitiert nicht zuletzt auch die deutsche Wirtschaft, deren Exportfirmen immer dann besonders gut verdienen, wenn es auch dem Rest der Welt gut geht. Wohin man auch blickt, haben die Konjunkturforscher deshalb in den letzten Wochen die Prognosen für Deutschland kräftig erhöht.
Natürlich gibt es, wie bei jedem Aufschwung, auch eine Menge Ökonomen, die gleich wieder den nächsten Abschwung voraussagen, weil es eben auch beträchtliche Risiken gebe. Und, ja: Die gibt es - sie heißen zum Beispiel Trump und Kim. Eskaliert der Konflikt um Nordkorea, könnte das nicht bloß die Weltordnung, sondern auch die Wirtschaft durcheinanderwirbeln. Ein anderes Risiko geht von China aus: Wenn der lange Aufschwung dort abrupt enden sollte, weil etwa die Immobilienblase platzt, würde man die Kollateralschäden wohl auch in Europa spüren. Auch ein kräftiger Anstieg des Ölpreises, etwa aufgrund der Unruhen in Iran, hätte Folgen.
Pessimismus und Krise haben den Populisten in die Hände gespielt
Aber all dies sind eben bloß Risiken, aber noch lange kein Gründe, dass die Europäer weiter in Pessimismus machen und sich selber schwachreden. Denn der Pessimismus hat in den letzten Jahren ja auch dazu beigetragen, die Krise zu verschärfen, weil Firmen und Bürger ihr Geld aus Furcht beisammengehalten haben. Der Pessimismus hat auch den Populisten in die Hände gespielt und es ihnen leicht gemacht, auf Wählerfang zu gehen. Nun aber besteht nicht bloß Aussicht auf Besserung, sondern es geht der europäischen Wirtschaft bereits deutlich besser als vor zwei, drei Jahren. Es gibt also Anlass, dass Europa wieder selbstbewusster und frohgemuter in die Zukunft blickt.
Dieser Aufschwung ist übrigens auch jener Bank zu verdanken, die nicht bloß von den Populisten, sondern auch von vielen Menschen mit ökonomischem Sachverstand gern kritisiert wird: der Europäischen Zentralbank. Mit ihrer umstrittenen Politik des billigen Geldes hat sie, auch wenn viele das nicht wahrhaben wollen, den Weg raus aus der Krise geebnet. Nun kommt es darauf an, dass die EU-Staaten diesen Weg weiterbeschreiten und den Aufschwung in den nächsten Jahren so stark wie möglich verlängern. Sie müssen dazu stärker investieren als bisher, in Infrastruktur und Bildung, sie müssen die Firmen dazu animieren, noch mehr Jobs zu schaffen, und die Bürger, mehr Geld auszugeben. Denn nur wenn die Wirtschaftspolitik die Geldpolitik entlastet, kann die EZB das tun, was sie gern schon viel früher getan hätte: die Zinsen erhöhen - damit sie im Fall der nächsten Krise genug Spielraum hat,um wieder gegensteuern zu können.