Die Pulver- und Munitionsfabrik sollte der Stadt Wohlstand bringen. 1919 wurde sie geschlossen. Die Nazis nutzten das Gelände später für das Konzentrationslager.
"Ihr werdet wieder zu Hause sein, ehe noch das Laub von den Bäumen fällt", versprach er den Soldaten. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. rechnete mit einem schnellen Ende der Kampfhandlungen. Eine fatale Fehleinschätzung. Die feindlichen Truppen verschanzten sich in den matschigen Gräben an der deutsch-französischen und der Ost-Grenze. Der Krieg, der eigentlich schnell gewonnen sein sollte und zum Ersten Weltkrieg auswuchs, wurde zu einem grausamen Vernichtungskampf und einer zehrenden Materialschlacht. Nach und nach ging den deutschen Soldaten die Munition zur Neige. Das Deutsche Reich benötigte dringend neuen Nachschub. Mit dem Bau der Königlich Bayerischen Pulver- und Munitionsfabrik im Jahr 1915 wurde auch Dachau zu einem Akteur des Ersten Weltkriegs.
Die Fabrik war eine der größten und wichtigsten in ganz Bayern. Und brachte Dachau nach kurzem Aufschwung vor allem Not und Elend. Nach der Machtergreifung Hitlers bauten die Nazis im Jahr 1933 das damals schon verwahrloste Fabrikgebäude zum Konzentrationslager um. Bis zur Befreiung im Jahr 1945 starben dort schätzungsweise 40 000 Menschen. Dass die Munitionsfabrik bereits im Ersten Weltkrieg eine bedeutende Rolle spielte und schon damals indirekt für Tausende Todesopfer verantwortlich war, wissen heute viele Menschen gar nicht mehr.
Auf dem Gelände der Bereitschaftspolizei kann man noch vereinzelte Relikte der Dachauer Pulverfabrik sehen wie den alten Wasserturm.
(Foto: Stefan Salger)1200 russische Kriegsgefangene mussten das sumpfige und bewaldete Gebiet trockenlegen und roden
Die Nähe zu München, die Anbindung an das Bahngleis nach Ingolstadt und die gute Wasserversorgung durch die Flüsse Würm und Amper: Die Wahl des Oberstleutnants Johann Hofmann, der einen geeigneten Fabrikstandort finden sollte, fiel schnell auf Dachau. Auch die Zweifel des Dachauer Magistrats waren zügig beseitigt. Erhoffte man sich doch einen Zuzug neuer, steuerpflichtiger Arbeiter und damit einhergehend einen wirtschaftlichen Aufschwung für die ländlich geprägte Region. Im Mai 1915 begannen die ersten Vorbereitungsarbeiten.
Das einst als ideales Gelände auserkorene Gebiet erwies sich dabei zusehends als schwierig. Nur mühsam und mit vereinten Kräften konnten die Bauarbeiter, 1200 russische Kriegsgefangene, das sumpfige und bewaldete Gebiet trockenlegen und roden. Knapp ein Jahr nach dem Kriegseintritt, im Oktober 1915, wurde die Werksleitung der neuen Pulverfabrik, im Volksmund "Pumpf" genannt, eingesetzt. Zwei Monate später nahmen die ersten Arbeiter den Pulverbetrieb auf.
Es war ein gefährlicher und harter Beruf. Ein Sonderzug aus München brachte einen Großteil der Beschäftigten nach Dachau. Um sechs Uhr morgens begann deren Schicht und endete, nach neun Stunden Arbeit, einer Frühstücks-, Mittags- und Brotzeitpause, um 16.30 Uhr. Sie arbeiteten im Pulverpresswerk, in einem der Pulververmengungshäuser, der Pulverknethäuser oder im Vakuumtrockenhaus. Die einzelnen Gebäude waren auf dem weitläufigen Gelände verstreut und durch viele Bäume getarnt. Auch an Samstagen, und mitunter sogar an Sonn- und Feiertagen wurde gearbeitet.
Für die Arbeiter aus dem Dachauer Land war die Fabrik dennoch ein attraktiver Arbeitgeber. Sie hatten nun ein regelmäßiges Einkommen, das höher war als das in der Landwirtschaft. Etwa die Hälfte der Belegschaft stammte aus der Region. Gut bezahlt war die Arbeit dennoch nicht. Ein durchschnittlicher Fabrikarbeiter verdiente 37 Pfennige in der Stunde, Frauen sogar nur 20 Pfennige. Bis zu drei Stunden musste man arbeiten, ehe man sich eine Mahlzeit in der Betriebskantine leisten konnte. Und auch in der freien Wirtschaft war der Stundenlohn um ungefähr zehn Pfennige höher als in Dachau.