Nach dem Pharmaunternehmen Teva kündigt auch das staatseigene Luftfahrtunternehmen Einschnitte an. Standorte sollen ins Ausland verlegt werden.
In Israel ging das Jahr wirtschaftspolitisch mit nicht gerade guten Nachrichten zu Ende. Die staatseigene Israel Aerospace Industries, eine der weltweit führenden Unternehmen im Bereich Flugzeug- und Raumfahrtausrüstung, gab bekannt, dass im Zuge eines Restrukturierungsprogramms die meisten Produktionsstätten in Israel geschlossen und ins Ausland verlagert werden. Damit soll einerseits die Profitabilität des Unternehmens gesteigert werden, andererseits verlangen Abnehmer wie Indien, dass die Herstellung in ihrem Land erfolgt. 50 Prozent der Exporte des Unternehmens, das derzeit über ein Auftragsvolumen von elf Milliarden US-Dollar verfügt, gehen nach Indien.
Israel Aerospace Industries stellt sowohl für den zivilen wie auch den militärischen Einsatz neben Flugzeugen auch Raumfahrt-, Seefahrt- und Bodentechnik her. Das Unternehmen hat 14 500 Angestellte und zwanzig Standorte in Israel. Nach Angaben aus Industriekreisen sollen in einem ersten Schritt 600 bis 700 Arbeiter von Entlassungen betroffen sein. Einen genaueren Überblick wird man erst nach der Zusammenlegung von Firmeneinheiten in Israel bekommen.
Es ist binnen kurzer Zeit der zweite herbe Schlag für Israels Industrie nach der Bekanntgabe des Pharmaunternehmens Teva Mitte Dezember, dass weltweit rund 14 000 Mitarbeiter und davon etwa 1700 in Israel ihren Job verlieren. Zehntausende hatten sich nach Bekanntwerden der Kündigungswelle beim weltweit größten Generikahersteller an einem landesweiten Generalstreik beteiligt, Beschäftigte hatten sich in der Fabrik in Jerusalem verbarrikadiert.
Regierungspolitiker hatten versucht, Unternehmenschef Kare Schultz von seinen harten Einschnitten in Israel abzubringen. Schultz sieht die drastischen Maßnahmen als notwendig an, um das hochverschuldete Unternehmen halten zu können. Teva ist in Deutschland unter dem Markennamen Ratiopharm bekannt.
Am Dienstag gaben das Management und die Gewerkschaften nach Verhandlungen bekannt, dass die Kündigungen mehrerer hundert Mitarbeiter in der Jerusalemer Produktionsstätte nicht bereits zu Jahresbeginn, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen soll. Die meisten Beschäftigten sollen nicht schon im ersten Quartal 2018, sondern erst im Dezember 2019 ihren Arbeitsplatz aufgeben müssen. An der Schließung der Fabrik 2019 wird aber festgehalten. Damit soll der wochenlange Arbeitskampf in der Fabrik beendet werden. Die Mitarbeiter wurden aufgefordert, wieder ihre Arbeit aufzunehmen.
Dass es mit Teva eines ihrer Flaggschiffe so hart treffen würde, hat viele Israelis überrascht. "Wie alle Israelis sind wir in der Realität aufgewacht", schrieben die CEOs von sieben Start-ups in einem Brief an die Mitarbeiter von Teva und boten ihnen Jobs an. Mit einer Arbeitslosenquote von rund vier Prozent herrscht bisher de facto fast Vollbeschäftigung. Weil Israel sich nach innen und außen gut als Start-up-Nation verkauft und die Wachstumsraten mit über drei Prozent anhaltend hoch sind, ist vielen nicht bewusst, dass es eine Zweiteilung gibt: auf der einen Seite eine Industrie mit niedriger Produktionsrate und eine nicht sehr stark ausgeprägte Servicementalität im Dienstleistungssektor, auf der anderen Seite beeindruckende Zuwächse im High-Tech-Bereich.
Der Technologie-Sektor gehört seit rund zwei Jahrzehnten zu den wichtigsten Branchen der israelischen Wirtschaft. Mitte der Neunzigerjahre begannen Regierung und Unternehmen Geld zu investieren. Das trieb die Ausgaben für Forschung und Entwicklung von rund 2,5 auf über vier Prozent der Wirtschaftsleistung und damit über den OECD-Durchschnitt.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichte noch vor den jüngsten Hiobsbotschaften ihre Prognosen für Israel. Demnach werden nach 3,1 Prozent 2017 in diesem Jahr 3,5 und für 2019 noch 3,3 Prozent erwartet. Als einer der Gründe für die anziehende Konjunktur werden Gasvorkommen genannt. Vor kurzem kündigte Energieminister Yuval Steinitz an, es solle die längste Unterwasserpipeline gebaut werden, die Erdgas bis nach Europa transportieren soll. Die 2200 Kilometer lange Leitung von den Gasfeldern vor der israelischen und zyprischen Küste über Griechenland und Italien soll bis 2025 fertig werden.
Lebenshaltungskosten liegen 23 Prozent über dem Durchschnitt der OECD-Staaten
Ein weiterer Grund für das Wachstum ist die stärkere Binnenkonjunktur. Aufgrund höherer Löhne geht mehr in den Konsum. Allerdings müssen immer mehr Israelis auch immer höhere Summen für das Wohnen ausgeben. Die OECD nannte die anhaltende Steigerung der Immobilienpreise ein Risiko - auch für die Banken des Landes. "Obwohl sich die Immobilienpreise seit 2007 verdoppelt haben, sind sie auch 2016 nochmals um 7,5 Prozent gestiegen", stellt der Internationale Währungsfonds in einem Bericht fest. Auch 2017 wurde diese Entwicklung nicht gebremst. In Tel Aviv werden Mieten gezahlt, die mit jenen in Manhattan vergleichbar sind. Das Verhältnis von Einkommen zu Wohnungskosten ist in Israel daher weit ungünstiger als in vielen anderen Ländern.
Dazu kommen noch hohe Lebenshaltungskosten. Sie liegen 23 Prozent über dem Durchschnitt der OECD-Staaten, heißt es in einer im Dezember veröffentlichten Studie des israelischen Forschungsinstituts Taub Center. Leben in Israel sei somit teurer als in den USA, Deutschland und Frankreich und werde nur von der Schweiz, einigen skandinavischen Ländern, Australien oder Neuseeland übertroffen. Der Internetseite Numbeo zufolge, die Preisdaten weltweit sammelt, sind die Lebenshaltungskosten in Israel um fast ein Viertel höher als in Deutschland, bei Einkommen, die nach Steuern ähnlich hoch liegen. Autos kosten in Israel durch hohe Zölle rund 60 Prozent mehr. All das ist mit ein Grund, warum in Israel ein relativ großer Teil der Bevölkerung in Armut lebt - was sich durch die jüngsten Entwicklungen noch verschärfen könnte.