- Viele Flüchtlinge wohnen noch immer in Asylunterkünften, obwohl ihren Anträgen bereits stattgegeben wurden.
- Wenn sie anerkannt sind, müssten sie eigentlich ausziehen. Doch eine Wohnung zu finden, ist in München schwierig.
- In manchen Unterkünften können die Bewohner ihre Türen nicht abschließen. Sie haben Angst und werden sogar bedroht.
Omar I. und seine Frau erwarten ihr zweites Kind. Es kann jederzeit kommen. Die Familie sucht seit Monaten verzweifelt nach einer Wohnung. Der 24-jährige Eritreer, seine schwangere Frau und ihr einjähriger Sohn leben in einem kleinen Zimmer in einer Münchner Flüchtlingsunterkunft. Seit zwei Jahren. Wenn sie den Raum verlassen, nehmen sie ihre Pässe und die wenigen Wertsachen mit. Denn abschließen können sie ihre Zimmertür nicht. Bad und Küche teilen sie sich mit den anderen Bewohnern. In dem ehemaligen Bürogebäude in der Hofmannstraße wohnen 570 Menschen, 173 davon sind Kinder oder Jugendliche.
Auch Fatana M. wohnt in der Unterkunft in Obersendling, sie teilt sich ein Zimmer mit ihrer Schwester. Fatana M. heißt eigentlich anders, sie möchte nicht, dass ihr Name in der Zeitung steht. Sie hat Angst, fühlt sich nicht sicher, nicht einmal in ihrem Zimmer. Die 21-jährige Afghanin ist allein mit ihrer Schwester nach Deutschland geflohnen. Nachts schieben sie ihren Schrank von innen vor die Zimmertür, die auch sie nicht abschließen können. "Ich habe Tag und Nacht Angst", sagt Fatana M., vor anderen Bewohnern und vor Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes.
Eine ganz normale Klasse
"Wenn ich im Bett liege und Stimmen oder Schritte auf dem Flur höre, kann ich nicht schlafen." Es gebe Männer in der Unterkunft, die sie und ihre Schwester bedrängen und belästigen würden. Und Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes würden sie mit Sprüchen provozieren. "Meine Schwester hat sich gestern bei einem Mann beschwert, weil er in der Küche einen Staubsaugerbeutel geleert hat", sagt sie. Der Bewohner habe ihr daraufhin mit Schlägen gedroht.
Fatana M. und Omar I. besuchen die Schlauschule, eine Münchner Bildungseinrichtung für junge Geflüchtete. Beide dürfen in Deutschland bleiben, möchten ihren Schulabschluss und anschließend eine Ausbildung machen. Beide dürften aus der Unterkunft in Obersendling ausziehen. Eigentlich müssten sie sogar ausziehen, weil ihr Asylantrag bewilligt ist. Doch wie so viele Menschen in München finden sie keine Wohnung.
"Ich habe mich beim Wohnungsamt gemeldet und ich bewerbe mich bei allen Wohnungen, die ich finde, doch ich erhalte nicht einmal eine Antwort", sagt Omar I.. "Es ist hoffnungslos für sie, eine Wohnung zu finden", sagt der Sozialpädagoge Ruzbeh Sadeghi, der die beiden betreut. Dabei sei ihre Situation in der Unterkunft katastrophal, so Sadeghi. "Wir betreuen viele junge Menschen, die fix und fertig sind, weil sie aus dem Teufelskreis nicht herauskommen."
Die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge ist in den vergangenen zwei Jahren stark zurückgegangen. 2015 musste die Stadt noch innerhalb kurzer Zeit Unterkünfte im Akkord errichten und wöchentlich etwa 600 Asylsuchende unterbringen. Zuvor hatte die Stadt keine Flüchtlingsunterkünfte betrieben, denn eigentlich ist das Aufgabe des Freistaates.
Als der jedoch überfordert war mit der hohen Zahl der Neuankommenden, nahm er die Kommunen in die Pflicht. Die Leichtbauhallen, die die Stadt dann übergangsweise errichtete, sind längst wieder geschlossen. Es leben in München aber immer noch 7700 Menschen in staatlichen oder städtischen Unterkünften, 2620 von ihnen haben ein Aufenthaltsrecht, finden jedoch keine eigene Wohnung. Besonders belastend ist die Situation für Bewohner in großen Unterkünften wie in der Hofmannstraße.