Mi, 03. Jänner 2018

Landesweite Proteste

03.01.2018 11:07

Kann die Wut der Armen Irans Führung stürzen?

Als Reaktion auf die andauernden Proteste gegen die iranische Führung sind nun landesweit auch Zehntausende Menschen zur Unterstützung der Regierung auf die Straße gegangen. Dies berichtete das Staatsfernsehen am Mittwoch. Auf Fernsehbildern waren Menschenmengen zu sehen, die "Führer, wir sind bereit!" skandierten. Zudem wurden die üblichen Feindbilder mit Hasstiraden bedacht: "Nieder mit den USA, nieder mit Saudi-Arabien, nieder mit Israel!" Mit diesen Bildern versuchen die Mullahs offenbar, den Unmut gewaltlos abzumildern. Tatsächlich ist die Führung des Landes stark in Bedrängnis, die Proteste haben nämlich im Unterschied zu den blutig niedergeschlagenen Unruhen im Jahr 2009 eine ganz andere Dimension.

Anders als 2009, als die Demonstranten eine Reihe konkreter Reformen forderten, wirken die aktuellen Proteste spontaner. Sie scheinen nicht zentral von einigen Anführern organisiert zu sein, die die Behörden identifizieren und festnehmen könnten. Die Demonstranten kommen aus unterschiedlichen Schichten und haben unterschiedliche Forderungen. Der Großteil scheint jedoch jung zu sein und aus der Arbeiterschicht zu stammen. Diese Menschen sind es, die an der hohen Arbeitslosigkeit, hohen Inflation und grassierenden Korruption am meisten leiden. Bisher galten die ärmeren Schichten in ländlichen Regionen als loyale Anhänger der Islamischen Republik. Doch die Kürzung der staatlichen Förderung für zahlreiche Menschen bei gleichzeitiger Erhöhung wichtiger Lebensmittelpreise hat nun auch diese Sympathisanten auf die Barrikaden gebracht.

Die Kritik an der Versorgungslage birgt im Iran besondere Sprengkraft, weil die islamische Revolution 1979 als Aufstand der Armen gegen Ausbeutung und Unterdrückung dargestellt wird. Der gemäßigte Präsident Hassan Rouhani gewann seine Wahlen mit dem Versprechen, die wirtschaftliche Lage der Menschen zu verbessern. Das Ende der Sanktionen nach dem Atomabkommen 2015 hat der Bevölkerung bisher aber keine Vorteile gebracht.

Forderung nach höheren Löhnen und Ende der Stellvertreterkriege
Bürger im ganzen Land verlangen höhere Löhne und ein Ende der Korruption. Unmut richtet sich jedoch auch gegen das religiöse Establishment und gegen die interventionistische Außenpolitik des Landes. Der Iran hat militärisch in Syrien und dem Irak eingegriffen und ringt mit der zweiten Regionalmacht Saudi-Arabien um die Vorherrschaft im Nahen Osten. Für Ärger sorgt auch die finanzielle Unterstützung der Palästinenser sowie der Hisbollah-Miliz im Libanon. Die Demonstranten verlangen von der Regierung, sich stattdessen auf die innenpolitischen Probleme zu konzentrieren.

Diese allgemeine Unzufriedenheit mit der Regierung stellt für diese ein großes Risiko dar. 2009 ging vor allem die Mittelschicht auf die Straße, um gegen die Wiederwahl des umstrittenen Hardliner-Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad zu demonstrieren. Damals reichte es, die Spitzen der Opposition unter Hausarrest zu stellen. Danach gingen die Proteste zwar noch weiter, doch bis zum Ende des Jahres war das Rückgrat der Reformbewegung gebrochen. Heute gibt es keine konkreten Führungspersonen, die man verhaften könnte. Wohl aus diesem Grund nannte Ayatollah Ali Khamenei in seiner Ansprache an das Volk die üblichen Verdächtigen im Ausland als Drahtzieher für die jüngsten Ausschreitungen. Ob die die Drohungen eines Revolutionsrichters mit der Todesstrafe für Demonstranten die Wut der Armen in Angst verwandeln wird, ist eher unwahrscheinlich.

Präsident Rouhani optimistisch: "Proteste in wenigen Tagen zu Ende"
Präsident Rouhani zeigte sich in einem Telefongespräch mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch optimistisch, dass die Proteste "in wenigen Tagen" zu Ende sein werden. In dem Gespräch habe sich Erdogan einig mit Rouhani gezeigt, dass das Demonstrationsrecht der Bürger nicht zu "Verstößen gegen die Gesetze" führen dürfe, erklärte die türkische Präsidentschaft nach dem Telefonat.

Gabor Agardi
Redakteur
Gabor Agardi
Das könnte Sie auch interessieren
Kommentar schreiben

Sie haben einen themenrelevanten Kommentar? Dann schreiben Sie hier Ihr Storyposting! Sie möchten mit anderen Usern Meinungen austauschen oder länger über ein Thema oder eine Story diskutieren? Dafür steht Ihnen jederzeit unser krone.at-Forum, eines der größten Internetforen Österreichs, zur Verfügung. Sowohl im Forum als auch bei Storypostings bitten wir Sie, unsere AGB und die Netiquette einzuhalten!
Diese Kommentarfunktion wird prä-moderiert. Eingehende Beiträge werden zunächst geprüft und anschließend veröffentlicht.

Kommentar schreiben
500 Zeichen frei
Kommentare
324

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB).

Für den Newsletter anmelden