Jens Priewe gilt als einer der wenigen echten Experten und hat schon viele Bücher über das Getränk geschrieben. Dabei hat alles mit einem Reinfall begonnen
Alles begann mit einer eher missglückten Reportage über Weingüter in der Toskana. Es gab damals wenig Brauchbares über italienischen Wein, sagt Jens Priewe, keine Bücher, in denen man etwas hätte nachlesen können, und nur wenige Fachartikel. "Ich bin nach Florenz geflogen, habe mir einen Mietwagen genommen und bin in Richtung Süden los", erzählt er. "Überall, wo am Straßenrand ein Schild stand mit dem Hinweis auf irgendein Weingut, bin ich rausgefahren." Er sprach mit den Winzern, soweit das ohne große Italienischkenntnisse ging, ließ sich alles erklären und schrieb dann seine Geschichte. Der Kollege, der ihm den Auftrag für die Reportage in Ullsteins Gourmetjournal gegeben hatte, war dann auch enttäuscht. Priewe hatte ihn zwar vorgewarnt, dass er nichts von Wein verstehe, aber gerade diesen unverbildeten Blick aufs Thema hatte sich der gewünscht.
Ende der Achtzigerjahre begannen die Deutschen, sich für Wein zu interessieren
Heute kann man sich das kaum noch vorstellen: Jens Priewe, einer der bekanntesten deutschen Weinjournalisten und Autor von einigen sehr erfolgreichen Weinbüchern mit einer Gesamtauflage von 1,7 Millionen Exemplaren, begann seine Karriere mit einem schlechten Artikel über Wein, der den Ansprüchen der Redaktion nicht genügte? War aber so. Und hat sich geändert. Vor Kurzem stellte Priewe die Neuauflage seines Bestsellers "Wein - Die große Schule" vor, der vor 20 Jahren zum ersten Mal erschienen ist. Gerade erst hat er den großformatigen Band komplett überarbeitet, fast jede Seite neu geschrieben. Er behandelt darin fast alles, was zum Thema gehört, von der Rebe bis zum Flaschenöffner, von Fragen des Ausbaus bis hin zu den wichtigsten Weinregionen der Welt (ZS-Verlag, 300 Seiten, 29,80 Euro).
Nun soll es ja Journalisten geben, die auch nach dem ersten Misserfolg unbeirrt weiter über Themen schreiben, von denen sie zu wenig verstehen. Priewe aber - "ich war damals ein junger, aufstrebender Journalist" - sah sich in seinem Stolz verletzt. "Ich habe dann beschlossen: Das Buch, das mir damals gefehlt hat, schreibe ich jetzt selbst!" Er begann sich einzuarbeiten in die Materie, befasste sich in seiner gesamten Freizeit mit Wein, besuchte Winzer, sprach mit Händlern, und wenn es zu Hause an die Urlaubsplanung ging, fragte seine Frau bald nur noch: "Geht's wieder nach Italien?" Es ging wieder nach Italien, Frau Priewe ging an den Strand, Herr Priewe zog währenddessen von einem Weingut zum nächsten.
Letztlich zahlte sich seine Gründlichkeit aus. Sieben lange Jahre recherchierte er, klapperte 300 Weingüter ab und hatte schließlich das großformatige Werk "Italiens große Weine" fertig. Ein Standardwerk mit viel Text und vielen Bildern, das auch einen Verlag fand und 1987 erschien. Aber so recht hatte nicht einmal der Verlag an den Erfolg geglaubt, denn er gab das Werk schon nach einem Jahr zum Verramschen frei. Pech für ihn und den Autor Priewe, denn damals begannen sich die Deutschen auf einmal für Wein zu interessieren, insbesondere für den aus der Toskana. Es sprach sich herum, dass es ein umfangreiches Buch über italienischen Wein gab, und dann gingen die Verkäufe nicht nur beim Wein aus Italien, sondern auch zum dazu passenden Buch steil nach oben. Nur leider zum Ramschpreis, von dem der Autor Priewe nichts mehr hatte.
Dennoch hat das Buch - oder vielmehr sein erster Artikel über Wein - sein Leben dann radikal verändert und ihm eine ganz neue Wendung gegeben.
"Mit Wein hatte ich ja zuvor praktisch nichts zu tun", erzählt Priewe. In Schleswig-Holstein ist er geboren und aufgewachsen, völlig ohne Weinberge, versteht sich. "Mein Vater war Englischlehrer; Wein gab es bei uns vielleicht mal, wenn der Vertreter vom Weinhandel Pieroth vorbeikam und im Wohnzimmer eine Weinprobe veranstaltete." Sohn Jens ging an die Uni, dort wurde man um 1968 herum noch mit Bier sozialisiert. Priewe erzählt das in seiner ruhigen, selbstironischen Art und muss dann selber manchmal schmunzeln: "Wir haben schon auch mal einen Edelzwicker aufgemacht, aber der schmeckte mir nicht."
Dann kam das Nachrichtenmagazin Spiegel und engagierte ihn direkt von der Uni weg, ohne weitere journalistische Ausbildung. Priewe schrieb über Bildungspolitik, ein heiß umkämpftes Thema Anfang der Siebzigerjahre. Als die Redaktion dann umorganisiert wurde, beschloss er, freiberuflich zu arbeiten: für die Wochenzeitung Die Zeit wegen Ruhm und Ehre, für die bunten Blätter des Bauer-Verlags, "um die Miete bezahlen zu können". Vom Fortsetzungsroman bis zum Horoskop und Benimmratgeber in wenigen Zeilen war alles dabei. Eine gute Schule, sagt er heute, um knapp und prägnant auf den Punkt zu kommen mit dem, was es zu erzählen gibt.
Er arbeitete dann bei Wirtschaftsmagazinen, baute zwischendrin in Zürich mit Horst Stern das Magazin Natur auf, das dann später, 1985, nach München umzog und Priewe mit ihm. Nach dem ersten Erfolg mit dem Weinbuch musste er sich aber irgendwann dann doch entscheiden: "Anfangs ging das mit dem Wein noch nebenher, aber Wirtschaftsjournalismus ist fordernd." Schließlich fiel die Entscheidung zugunsten des Weines aus. Er tat sich mit dem Münchner Verleger Eberhard Spangenberg zusammen, der später die Weinhandlung Garibaldi aufbaute. Sie gründeten den kleinen Verlag "Edition Priewe" und wollten die verschiedenen Weinregionen nach und nach in Büchern unter dem Reihentitel "Reisen in die Welt des Weins abhandeln.
Aber dann rief ein anderer Verleger an, Friedrich-Karl Sandmann. Der hatte 1984 zusammen mit dem Fotografen Arnold Zabert den Zabert-Sandmann-Verlag gegründet, der sich auf Kochbücher und kulinarische Themen spezialisiert hatte. Sandmann übernahm sofort die gesamte Reihe, obwohl noch nicht viel mehr vorlag als ein Konzept. Und er kam auf die Idee, ein "elementares Einsteigerbuch" zu machen mit dem Titel: "Wein - die kleine Schule" zum Preis von 15 Mark. Es lief prächtig, bis heute verkauften sich 700 000 Exemplare davon, in 13 Sprachen wurde das Buch übersetzt. Als Sandmann sah, dass die Verkäufe gut liefen, rief er Priewe an und meinte: "Du, jetzt müssen wir aber auch ,Die große Schule' machen!"
Irgendwann musste er sich zwischen Wein und Wirtschaft entscheiden
Na klar, so geschah es, Priewe schrieb auch noch die große Schule und einige andere Weinbücher. Er machte eine Fernsehserie mit dem Bayerischen Rundfunk über "Wein - die neue Welt" und recherchierte dafür von Südamerika bis Australien und Neuseeland. Da war er längst schon Experte und viel gefragt. Bis heute natürlich. Immer wieder betreut er auch Verkostungen und frischt sie mit seinen launigen, humorvollen und vor allem kenntnisreichen Kommentaren auf. Dafür ist man dankbar, wenn man im Publikum sitzt. Denn es gibt nicht wenige Weinexperten, die auch schlechte Lyriker hätten werden können, ihren Beschreibungen nach zu urteilen. Da ist es wohltuend, jemandem zuzuhören, der auf dem Boden bleibt und sich auch mal einen Scherz über allzu streberhafte Weinkenner erlaubt.
Priewe sagt selbst: "Ich will dem Wein auch eine Sprache geben." Denn mit Sprache kann man viel Unfug anstellen. Oft würden Weine hochgeschrieben, die es von der Qualität her nicht wert seien. Er räumt auch ein, dass er manche der neuen Entwicklungen nicht mehr ganz nachvollziehen könne. "Ich bin immerhin ein alter Sack", sagt er in seinem leicht sonoren Küstendeutsch und lacht. Aber man könne sich trotzdem um Genauigkeit bemühen: "Wenn ein Weintrinker sagt, ein Wein sei lecker, dann sagt das vor allem was über den Weintrinker aus." Nämlich dass er sich offenbar wenig mit Wein befasst hat, sonst würde er besser differenzieren können. "Lecker", sagt Priewe und grinst vergnügt, "lecker ist auch eine Schwarzwälder Kirschtorte."