Der Gewalt gegen Polizisten und Rettungskräfte in der Silvesternacht und an Neujahr folgt mal wieder eine Debatte über noch härtere Strafen.
Knallkörper und Knallköpfe: Das Feuerwerk in Berlin wurde nicht nur fachgerecht eingesetzt. Der Polizeipräsident ist entsetzt.
(Foto: Odd Andersen/AFP)Die Übergriffe und Attacken auf Polizisten und Rettungskräfte an Silvester und Neujahr haben wieder einmal eine Debatte über eine Strafverschärfung ausgelöst. "Ich halte nach wie vor eine Mindeststrafe von sechs Monaten für Angriffe auf Einsatzkräfte für notwendig", sagte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) am Dienstag. Seit dem vorigen Jahr liegt die Mindeststrafe dafür in Deutschland bei drei Monaten. "Es ist unfassbar, dass Helfer derartig angegriffen werden", zitierte die Polizei den Polizeipräsidenten Klaus Kandt am Dienstag auf Twitter. Er zweifle "am Verstand derer, die mit Böllern und Raketen auf Menschen schießen". In Berlin-Neukölln hatten Jugendliche am Montag zudem mit Schreckschusswaffen auf Streifenwagen geschossen.
Die drei jungen Angreifer standen in einer Gruppe von etwa 20 Jugendlichen, die die Schützen laut Polizei angefeuert haben sollen. In dem Auto saßen am Neujahrsabend zwei Polizisten, berichtete eine Polizeisprecherin am Dienstag. Die Beamten brachten sich zunächst in Sicherheit. Als sie gemeinsam mit einem weiteren Streifenwagen zurückkehrten, wurden beide Autos beschossen. Dabei geriet ein in der Nähe geparkter Wagen in Brand. Als eine weitere angeforderte Streife zum Tatort fuhr, flüchteten die Jugendlichen. Verletzt wurde bei dem Angriff niemand. Die Polizei ermittelt wegen besonders schweren Landfriedensbruchs und Brandstiftung. In der Silvesternacht waren Polizisten und Feuerwehrleute auch in Stuttgart bei der Arbeit behindert und mit Böllern beworfen worden. Zwölf Beamte wurden auf dem Schlossplatz verletzt. Insgesamt seien 18 Personen vorläufig festgenommen worden, ein Großteil davon sei aber wieder auf freiem Fuß, sagte ein Sprecher der Polizei. Auch in anderen Bundesländern gab es solche Vorfälle. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte dazu: "Die Angriffe in der Silvesternacht sind leider keine Ausnahmen. Es ist höchste Zeit, Rettungskräfte wirkungsvoller zu schützen." Tätliche Angriffe müssten deshalb härter bestraft werden. Bereits am Vortag hatte Maas darauf verwiesen, dass die Gesetze im vergangenen Jahr verschärft wurden. Unter anderem wurde ein neuer Straftatbestand des "tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte" (Paragraf 114 StGB) geschaffen. Der Gewaltforscher Wilhelm Heitmeyer, 72, widerspricht: "Respekt entsteht nicht durch Drohungen. Härtere Strafen führen nicht zu stärkerer Abschreckung", sagte der ehemalige Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Uni Bielefeld im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. "Wir haben es hier mit lernenden Systemen zu tun. Das heißt, die linken, rechten oder sonstigen Gruppen entwerfen immer wieder neue Strategien, um Sanktionen zu unterlaufen. Repression erzeugt hier Innovation. Das sind hilflose Versuche von Politikern, dem Unheil entgegenzutreten, weil sie nur einen kleinen Werkzeugkoffer haben: Gesetze, Geld und Appelle." Gesetze seien natürlich nötig. "Aber allein die ständige Verschärfung dieser Gesetze bringt nichts ohne eine Debatte über Werte und Normen", betonte Heitmeyer. Viele Gruppen konstruierten eine Opferrolle für sich. "Am Ende stehen immer öfter Entweder-Oder-Situationen - Wir oder die!"