Literatur im Exil Wenn Schreiben zum tödlichen Risiko wird

(Foto: Verlage, privat)

Was macht es mit Autoren, wenn ihre Werke in der Heimat zensiert und sie selbst zum Tode verurteilt werden? Fünf Schrifsteller aus Syrien, Iran, der Türkei, Kuba und Somalia erzählen vom Arbeiten unter Lebensgefahr.

Protokolle von Friederike Oertel

Khaled Khalifa - Damaskus, Syrien

Khaled Kha­li­fa, 1964 in Alep­po ge­bo­ren, ist ei­ner der be­kann­tes­ten Schriftsteller Sy­riens. Er schreibt Drehbü­cher und Ro­ma­ne, die teil­wei­se im Land nicht erscheinen durften. Im April wird sein Roman "Der Tod ist ein mühseliges Geschäft" bei Rowohlt auf Deutsch veröffentlicht. Momentan lebt er in Damaskus. Während des Skype-Gesprächs waren immer wieder explodierende Bomben im Hintergrund zu hören. Khalifa rauchte und schien es kaum zu hören.

Khalifa Khaleds hat sein Exil im Inneren gefunden. Sein jüngster Roman heißt "Der Tod ist ein mühseliges Geschäft".

(Foto: Aiham Dib/Rowohlt Verlag)

"Mit dem Krieg hat sich alles verändert. Die Straßen von Damaskus sind leer, in den Häusern brennt kaum Licht. Auch heute noch schlagen täglich Bomben ein oder explodieren in den Straßen. Ich schlafe sehr schlecht, manchmal tue ich eine ganze Woche kein Auge zu. Oft liege ich nicht in meinem Bett, sondern im Flur, dort ist man vor den Bombenexplosionen ein bisschen sicherer. Viele meiner Freunde und Verwandten haben ihre Häuser verloren. Im Vergleich zu ihnen geht es mir gut. Immerhin haben wir jetzt wieder Elektrizität. Und ich bin noch am Leben.

Natürlich hat sich das Schreiben dadurch verändert. Diese ganzen großen Begriffe wie Krieg, Leid, Hoffnung, Leben, Humanität - die waren früher viel abstrakter. Nun erfahre ich, was sie bedeuten. Muss erfahren. Krieg, Leid und Hoffnung sind zu meinem Alltag geworden.

Was ist Heimat?

Jeder Mensch hat eine Heimat. Oder nicht? Oder auch zwei? Eine Artikelreihe untersucht die Ver- und Entwurzelung in bewegten Zeiten. Alle Texte lesen.

Das Schreiben hilft mir, zu überleben. Gerade arbeite ich an einem Roman über Aleppo im 19. Jahrhundert. Ich beschäftige mich mit der syrischen Geschichte, mit unserer Kunst, mit der Gesellschaft der Stadt. Diese Rückwärtsgewandtheit mag verrückt klingen, während vor meiner Haustüre die Bomben einschlagen. Aber wahrscheinlich kann man einfach nicht über den Krieg schreiben, wenn man selbst mitten drin ist. Meine Bücher sind in Syrien verboten. Aber ich schreibe weiter, weil ich nicht anders kann. Unter der Hand bekommt man die Bücher trotzdem. Aber ich träume davon, dass sie irgendwann hier im Schaufenster eines Buchlandes stehen.

Angst habe ich keine mehr. Wer Angst hat, kann nicht in Syrien leben. Wer Angst hat, muss gehen. Ich hatte lange Angst, aber irgendwann habe ich beschlossen, sie abzulegen. Angst hindert einen daran, zu leben. Ich will nicht, dass die Angst über mein Leben bestimmt. Ich will nicht kapitulieren. Das Schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass ich sterbe. Aber das macht mir keine Angst, denn dann habe ich mein Leben wenigstens so gelebt, wie ich es leben wollte und war nicht unglücklich im Exil.

Die meisten meiner Freunde haben Syrien verlassen. Flucht war jedoch nie eine Option für mich. Ich bin hier aufgewachsen, mein Land ist alles für mich. Auch meine Erzählungen drehen sich immer um Syrien. Es wäre zu schmerzlich, das alles aufzugeben. Wer wäre ich in Berlin oder Kopenhagen? Ich wäre ein Fremder, entwurzelt, ohne Identität. Und über was würde ich schreiben? Der Eindruck von Syrien würde irgendwann verblassen. Für mich eine schlimme Vorstellung. Ich habe mein Exil im Inneren gefunden."