Von der #MeToo-Debatte bis zur Weltherrschaft von Micky Mouse: Eine Auswahl von Ideen, die unser Denken im Jahr 2017 nachhaltig verändert haben.
Nation Branding
Was braucht es, damit das Bild einer Nation entsteht? Jahrhundertealte Traditionen? Bauten, die seit Generationen einer Gesellschaft ein Zuhause bieten? Kunstwerke, in denen sie sich ihrer selbst vergewissert? Ach wo! Tatsächlich ist es viel einfacher und vor allem schneller zu haben, das Bild einer Nation - wenn deren Herrscher das nötige Kleingeld mitbringen. Abu Dhabi führt es gerade vor: Mit dem Louvre-Ableger hat sich der Wüstenstaat nicht nur eines der spektakulärsten Museen der Welt erschaffen, sondern sein erstes überhaupt. Kurz darauf orderte das Emirat noch das bislang teuerste Gemälde der Welt, den "Salvator Mundi", angeblich von Leonardo da Vinci, sicher jedoch für 450 Millionen Dollar versteigert. Was die Christusfigur mit dem arabischen Volk der ehemaligen Perlenfischer und Nomaden verbindet? Egal, dafür passt sie zu einer Nation, die ihr Seelenheil in glitzernden Superlativen findet.
Das Regieren
Wer regiert, verliert die Freiheit, alles Mögliche wollen zu dürfen. Regieren heißt entscheiden, also Optionen zu reduzieren. Außerdem ist man ja nie allein mit seinem Wollen. Koalieren heißt Wünsche stückeln. Darum kann man verstehen, dass derzeit so viele, die zum Regieren gewählt wurden, so wenig Lust auf das kleingehäckselte Wollen haben. Sondieren ist da viel netter, man bleibt im Traumreich der Wünsche. Daran ist aber auch ein Publikum schuld, das in jedem Moment genau weiß und sagt, wie es nicht geht. Dabei bietet die repräsentative Demokratie dem Bürger eine unschätzbare Erleichterung an: nicht selbst regieren zu müssen. Berufspolitik ist eine Entlastung, und die regelmäßige Kündigungsdrohung - alle vier Jahre! - ist doch viel komfortabler. Die Gewählten aber mögen sich an eine alte Weisheit aus Italien erinnern: Die Macht verschleißt - und zwar den, der sie nicht hat.
Fetisch Akustik
Kaum jemand weiß, dass Nemesis, die Rachegöttin, einen kleinen boshaften Bruder hat, der Akoustikos heißt. Musiker wie Musikhörer müssen sich mit seiner Heimtücke herumschlagen. Besonders übel hat er in der vor Jahresfrist eröffneten Hamburger Elbphilharmonie gewütet, mit deren Klangtücken sich alle seither tapfer arrangieren. Dass das Murren nur manchmal laut wird, hängt damit zusammen, dass Akustik einerseits als schicksalsergeben hingenommen, andererseits neuerdings gern überbewertet wird. Beides muss nicht so sein. Mit Schallsegeln und anderen Vorrichtungen lässt sich einiges erreichen, auch durch veränderte Orchesteraufstellung. Das setzt Zeit und Interesse voraus, durchreisende Stardirigenten bringen beides oft nicht mit. Vor allem aber hilft eine eigenständige Interpretation, die spieltechnisch genial vorgetragen wird. Dann wird der kleine Gott Akoustikos von niemandem mehr als störend wahrgenommen.
Social-Media-Entzug
Den Ruf nach Bildschirmpausen und Konzentration gibt es schon länger. Neu ist, dass er von Silicon-Valley-Größen kommt. Facebook-Mitgründer Sean Parker bereut, ein Monster geschaffen zu haben. Der frühere Facebook-Manager Chamath Palihapitiya sagt: "Es zerreißt die Grundlagen unserer Gesellschaft", und er lasse seine Kinder "diesen Scheiß nicht nutzen". Google-Aussteiger programmieren jetzt Apps zur Einschränkung der Smartphone-Abhängigkeit. Es ist mit den "Aufmerksamkeitshändlern" (Tim Wu) wohl ein bisschen wie mit dem Islam: Die Reform kann nur von innen kommen. Abmelden ist keine Option, Mäßigung schon - soziale Netzwerke sind ja nicht nur Verblödungsmaschinen, sondern auch praktische Kommunikations- und Debattenmedien. Man könnte sie etwa immer nur eine halbe Stunde vormittags nutzen. In der übrigen Zeit lässt man sich die künstlichen Intelligenzen einfach gegenseitig liken.