2017 sollte die Saison der legeren Frotteemode werden. Stattdessen gilt der einst so lässige Bademantel als verrufenes Kleidungsstück - wer will schon rüberkommen wie Harvey Weinstein?
Am Ende des Jahres werden ja nicht nur die Gewinner gekürt, sondern gern auch die Verlierer. Solche, für die es 2017 rückblickend nur so mittelgut lief. Modisch gesehen, fällt die Wahl diesmal ganz klar auf: den Bademantel. Dieses oft unschuldig weiße Frotteeteil, lässig um die Schultern gelegt, Ausdruck maximaler Gemütlichkeit - plötzlich vermittelt es vor allem maximales Unbehagen.
Die Ursache ist in dem Fall ebenfalls schnell geklärt, schuld ist der Oberverlierer 2017, Harvey Weinstein. Seit Oktober wurden beinahe täglich neue Anschuldigungen wegen sexueller Belästigung gegen den Hollywood-Filmproduzenten bekannt, und häufig spielte in den Schilderungen der Betroffenen der Bademantel eine, tja, tragende Rolle. Entweder hatte Weinstein die Schauspielerinnen in einem Hotelzimmer nur damit bekleidet empfangen oder war im weiteren Verlauf hineingeschlüpft, um die Atmosphäre "aufzulockern".
Jeder Mensch ist ein Hase
Egal worum es in den Schilderungen dann im Einzelnen ging - Massage, Drinks, Dusche, Sex -, dieser massige Kerl existierte in der kollektiven Vorstellung fortan nur noch in einem lose gegurteten Hotelbademantel. Weshalb dieses Kleidungsstück, als Uniform für schlüpfrige Angelegenheiten, jetzt also genauso erledigt ist wie der Mann selbst. Wer will schon rüberkommen wie Harvey Weinstein?
Manche Männer wirkten im Bademantel immer schon eher überentspannt
Dabei sollte das Kleidungsstück dieses Jahr eigentlich ganz groß rauskommen in der Mode. Ende 2016 verkündete die britische Elle noch freudestrahlend: "Bademäntel sind das nächste große Ding!", weil sie auf den Laufstegen von Alexander Wang und Miu Miu zu sehen gewesen waren. Bald wären sie endlich straßen-, mindestens aber clubtauglich.
Derweil machte auch der Starfotograf Mario Testino fröhlich weiter mit seinem Instagram-Projekt "The Towel Series", in dem er seit 2014 Models und Schauspieler lediglich mit Bademantel und/oder Handtuch fotografiert. "Ich glaube, Männer und Frauen spüren, dass sie sich damit ganz frei ausdrücken können, weil es keine festgelegte Art gibt, wie man das Handtuch zu tragen hat. Sie können damit machen, was sie wollen!", schreibt Testino auf seiner Webseite.
Klar, so ein Frotteeschal wirkt sicher irre befreiend, aber vor allem ist der Look natürlich wahnsinnig sexy, weil da irgendwo auch mitschwingt, dass die Menschen vielleicht gerade noch nackt unter der Dusche standen und sie darunter jetzt wahrscheinlich nicht mal mehr Unterwäsche tragen.
Der Playboy
Neu ist das Motiv natürlich nicht. Elizabeth Taylor ließ sich schon 1992 von Herb Ritts für die Kampagne ihres "White Diamonds" Parfums mit weißem Bademantel und Handtuch um den Kopf ablichten. Passend zum Thema trug sie selbstredend ein Diamant-Collier.
Ungefähr dieses Bild dürfte die Sängerin Rita Ora im Kopf gehabt haben, als sie vergangenen November bei den MTV Awards erschien: Bademantel-Robe des spanischen Designers Palomo Spain, Klunker am Hals, Frottee um den Kopf, Glitzerpumps am Fuß. Da dachte die Britin offensichtlich immer noch, das Teil signalisiere Hollywood-Glamour. So wie all die anderen Menschen, die in edlen Hotels immer sofort in das weiße Monogramm-Mäntelchen und diese weißen Schläppchen schlüpfen, um sich im Kreis derer zu fühlen, die es geschafft haben. Endlich reich! Und entspannt!