Zwischen den Zahlen Schwein gehabt

Mit Neujahrskarten tun sich viele Unternehmen schwer. Sie sparen nicht an plumper Symbolik und schlichten Reimen. In Russland ist es Brauch, sich Misserfolg zu wünschen, damit das Gegenteil dann hoffentlich eintritt.

Von Victor Gojdka

Die deutschen Unternehmen legen es darauf an, mit ihren Briefen im Papierkorb zu landen. Das ist das Ergebnis einer (offen gestanden nicht ganz repräsentativen) Umfrage unter drei Kollegen. In Sachen festlicher Geschäftspost sind die Firmen offenbar so einfallsreich wie die Mitarbeiter des Finanzamts in ihren alljährlichen Schriftsätzen. Auf den Neujahrskarten der Unternehmen wimmelt es von Wunderkerzen, überdimensionierten Jahreszahlen und unterdimensionierter Poetik. Eine Kostprobe: Das Gute ist ganz nah / ein schönes neues Jahr.

Das geht doch besser! Spezielle Internetseiten für Unternehmer raten, in Neujahrskarten bitte immer auf das eigene Geschäft anzuspielen. Grafikbüros haben sich bereits eingehende Gedanken gemacht. Bügeldienste zum Beispiel könnten ihren Kunden eine zerknitterte Karte schicken. Das soll nicht die Empfänger beleidigen, sondern den Wunsch ausdrücken, "dass im neuen Jahr alles glatt läuft". (Und, dass der Kunde bitte wiederkommen möge.) Hebammen könnten ihre Karten mit einem Schleifchen umwinden, auf dem in Zierschrift steht: "Entbindung: Geburtstag für ein neues Jahr." Persönlichkeits-Coaches sollten ihren Kunden eine Rechtschreibschwäche vorgaukeln: "Ein gutes neues Ja!" Das soll den Empfänger zu positivem Denken ermuntern.

Doch es geht noch sehr viel plumper: Warum wünschen Fleischer ihren Kunden nicht gleich "sauviel Glück"? Früher waren die Grüße zum Jahreswechsel weniger einfallslos und lieb, wie die Sammler historischer Karten wissen.

Die Geschäftspartner des 19. Jahrhunderts versetzten sensiblen Zeitgenossen gern einmal einen gehörigen Schrecken. Die Neujahrskarte des US-Tabakkonzerns Kinney Brothers aus dem Jahr 1989 zeigt eine alte Frau, die einen schreienden Buben am Kragen über ihren Suppentopf hält. Das ist keine Max-und-Moritz-Pädagogik. Auf dem Pulli des Jungen steht die Jahreszahl 1889, das alte Jahr soll also versenkt werden. Das würde auch zum Jahr 2017 passen, aus politischer Sicht.

Russen treiben den Schrecken noch weiter: Um böse Geister zu irritieren, wünschen sie sich bisweilen nicht Glück und Erfolg, sondern Misserfolg und Unglück, damit dann das Gegenteil eintritt. US-Präsident Trump sollte also genau nachdenken, was es bedeutet, wenn Wladimir Putin ihm eine Karte vom Fischfang in Sibirien "mit den besten Wünschen für 2018" schicken sollte.

Alles Gute!