Gefahr durch Böller, Furcht vor Übergriffen und eine abstrakte Terrorangst: Um die Silvesterfeierlichkeiten zu sichern, lassen sich deutsche Städte einiges einfallen - fast überall wird die Polizeipräsenz erhöht.
Nach den massenhaften sexuellen Übergriffen vor zwei Jahren in Köln scheint Silvester vielerorts seine Unbeschwertheit verloren zu haben. Damals waren in der Neujahrsnacht zahlreiche Frauen von alkoholisierten Männern, die vorwiegend aus den Maghreb-Staaten stammten, bedrängt und beraubt worden. Die Vorfälle hatten die Debatte über die Asylpolitik der Bundesregierung verschärft, die Polizeipräsenz wurde an vielen Orten verstärkt. Übertrieben? Oder nicht? So bereiten sich deutsche Städte 2017 auf Silvester vor.
Köln
Längst leid ist Henriette Reker das Aufsehen, das ihre Domstadt seit 2015 vor jeder letzten Nacht im Jahr plagt. Die brutalen Übergriffe an Dom und Bahnhof hätten "das Image von Köln beschädigt", räumt die Oberbürgermeisterin missmutig ein, aber man möge doch bitte schön endlich "zur Normalität zurückkehren". Und tun, wofür "Kölle" stehe: "Mit entspanntem Gefühl feiern".
"Ich empfehle eine Atemschutzmaske"
Nur, so einfach geht das nicht. Nicht mehr. Reker weiß das, also rüstet Köln auf: 1400 Polizisten werden die Innenstadt sichern, hinzu kommen 124 Mitarbeiters des Ordnungsamts, 526 Feuerwehrleute und Rettungskräfte sowie 400 angeheuerte Sheriffs privater Sicherheitsfirmen. Außerdem sind Streetworker und Dolmetscher unterwegs. Die Polizei will überall sichtbar patrouillieren und "niederschwellig eingreifen", wie Polizeipräsident Uwe Jacob sagt. Das heißt: keine Toleranz. Fehler wie voriges Jahr, als die Polizei Hunderte junge Männer auf dem Bahnhofsvorplatz zusammenpferchte und obendrein fälschlich als "Nafris" (Nordafrikaner) identifizierte, will Jacob vermeiden: Kleine Gruppen dürften nicht zur großen, weil dann kritischen Masse werden.
Und das Feiern? Auf dem Roncalliplatz ertönen live alternativer Rock und elektronische Songs, ehe gegen 23 Uhr wieder der Chor Gospelcologne singt. Eine Lichtinstallation wirft dreidimensional "Wunsch und Wandel" auf Fassaden und Pflaster der strikt böllerfreien Domzone. Und für den rechten Spirit lässt Oberbürgermeisterin Reker 15 000 bunte Armbänder aus Silicon mit Kölns Silvestermotto 2017 verteilen: "Respect".
Von Christian Wernicke
Frankfurt
Auch Frankfurt musste im Januar 2016 seine Kriminalitätsstatistik erweitern: Mehr als 60 sexuelle Übergriffe auf Frauen hatten die Beamten in der Silvesternacht gezählt, rund um den Eisernen Steg, die alte Fußgängerbrücke über den Main, Lieblingsort vieler Frankfurter und Touristen, die den Jahreswechsel im Freien erleben möchten. Die meisten Täter wurden nie ermittelt. Aber das Sicherheitskonzept wurde - auch infolge der Terroranschläge in anderen Städten - massiv verschärft. Vor allem am Mainufer, wo an Silvester zu Spitzenzeiten einst mehr als 100 000 Menschen feierten, wird das in diesem Jahr wieder zu spüren sein.
Offizielle Großveranstaltungen im öffentlichen Raum gibt es in Frankfurt ohnehin nicht, nur das Ufer mit der Kulisse der im Feuerwerk erstrahlenden Bankenstadt, und drei gesperrte Brücken. Wer dort feiert, tut das vor den Augen der Staatsgewalt, die in Uniform und Zivil aufläuft. Im vergangenen Jahr hatte die Polizei 5000 Menschen auf den Brücken und am Flussufer gezählt - die Sicherheitszone aber war eigentlich für gut 30 000 Personen ausgelegt worden. Die Sehnsucht, Teil einer feiernden Menschenmasse zu sein, sie ist auch in Frankfurt spürbar zurückgegangen.
Von Jan Willmroth
Nürnberg
Nürnberg ist die einzige deutsche Halbmillionenstadt mit einer mittelalterlichen Burg in ihrer Mitte, das macht Silvester zusätzlich besonders. Doch den Platz an der Burgbrüstung nutzten einst viele, um mit Böllern nach unten zu ballern. Seit 2001 ist Feuerwerk auf der Kaiserburg grundsätzlich verboten, auch wegen der Brandgefahr an einem mittelalterlichen Denkmal. Der Effekt freilich war übersichtlich. Vor zwei Jahren erweiterte die Stadt das Verbot deshalb aufs gesamte Areal rings um die Festung, nachdem es um Mitternacht immer wieder brenzlig zu werden drohte für Burg und Mensch.
Dieses Jahr nun verschärft die Polizei ihre Kontrollen. Die Gassen sind eng auf dem Weg zur Burg, geplant sind dort Sperrgitter und Taschenkontrollen. Langweilig wird es Einsatzkräften in dieser Nacht ohnehin nicht, in Nürnberg aber hat die Polizei neben dem Burgschutz noch eine weitere Zusatzherausforderung zu bewältigen. Das "Silvestival" verspricht ein "Feuerwerk aus Musik und Neuem Zirkus". An elf Spielorten der Innenstadt spielen Akkordeonorchester, Jazz- und Performance-Gruppen. "Sämtliche Nürnberger Polizisten haben zum Jahreswechsel Urlaubssperre", sagt Polizeisprecherin Elke Schönwald.
Von Olaf Przybilla