Asylbewerber Wenn Glück oder Pech über Asylanträge entscheidet

Wie viel Glück braucht ein Flüchtling, um Schutz in Deutschland zu erhalten?

(Foto: Alessandra Schellnegger)
Von Bernd Kastner

Cenk Kaja hatte Glück, Ufuk Yilmaz hatte kein Glück. Der eine bekam alles, der andere nichts. Die Männer haben aber nicht Lotto gespielt, sie haben Asylanträge gestellt. Beide sind aus der Türkei nach Deutschland geflohen, weil sie mit der Gülen-Bewegung sympathisieren oder ihnen dies unterstellt wird. Kaja bekam den maximalen Schutzstatus zugesprochen; Yilmaz soll zurück in die Türkei.

Wie viel Glück braucht ein Flüchtling, um Schutz in Deutschland zu erhalten? Die Erfolgschancen scheinen stark davon abzuhängen, wo ein Asylantrag bearbeitet wird. Obwohl das Asylamt Bamf eine Bundesbehörde ist, unterscheiden sich die Anerkennungsquoten in den Bundesländern teils enorm: Iraker etwa hatten in Niedersachsen im ersten Halbjahr 2017 eine Schutzquote von 70 Prozent, in Bayern nur von 48; ähnlich die Differenzen für Iraner und Afghanen. Das Bamf rätselt, woran das liegen könnte, und betont die einheitlichen Vorgaben. Es müsse am Zufall liegen.

Kaja und Yilmaz leben beide in Bayern, aber der Antrag von Kajas Familie wurde in einer hessischen Außenstelle bearbeitet, während für Yilmaz Augsburg zuständig war. In Augsburg wurde monatelang ein veralteter, realitätsfremder Textbaustein in Ablehnungsbescheide kopiert, ohne dass die interne Prüfung intervenierte.

Asyl-Ablehnung mit veralteten Textbausteinen

Obwohl sich Berichte über Misshandlungen durch türkische Behörden häufen, lehnt das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration Asylanträge von Anhängern der Gülen-Bewegung ab - mit einer Begründung, die von der Realität längst überholt ist. Von Bernd Kastner mehr ...

Kaja und Yilmaz, deren Namen zu ihrem Schutz geändert sind, erzählen der Süddeutschen Zeitung ihre Geschichte: Im Juli 2016 besuchte Familie Kaja die in Deutschland lebenden Großeltern. Kurz nach dem Putschversuch rief Cenk Kajas Arbeitgeber, eine Universität, ihn aus dem Urlaub zurück. Er flog in die Türkei, wo ein Ermittlungsverfahren gegen ihn begann, weil er Anhänger der Gülen-Bewegung sein soll; ihm wurde gekündigt. Seine Frau blieb mit den Kindern in Deutschland und beantragte Asyl.

Status als politisch Verfolgte wird selten vergeben

Ihre einzige Verbindung zur Gülen-Bewegung sei, dass ihr Sohn ein Gülen-Gymnasium besuche und die Eltern wegen des Schulgelds ein Konto bei einer Gülen-Bank hatten, gab sie zu Protokoll. "Wir haben die Bewegung nie aktiv unterstützt." Ob es einen Haftbefehl gegen ihren Mann gebe, wisse sie nicht, sagte sie und legte nur seine Kündigung vor; der Kündigungsgrund war darin nicht genannt.

"Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts sind die Antragsteller als politisch verfolgt anzusehen", steht in ihrem Asylbescheid. Dieser Status als politisch Verfolgte gemäß Grundgesetz wird selten vergeben. 0,7 Prozent erhielten ihn dieses Jahr bis November; unter türkischen Flüchtlingen waren es knapp acht Prozent - deren Gesamtschutzquote liegt laut Bamf bei 27 Prozent.

Ufuk Yilmaz hatte Pech in der Asyllotterie. Dabei war seine Lage offensichtlich bedrohlicher. Yilmaz arbeitete in einem türkischen Ministerium, kurz nach dem Putschversuch wurde ihm gekündigt. Er klagte auf Wiedereinstellung, die ihm das Gericht wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer "Terrororganisation" verweigerte. Auch seine Frau, eine Lehrerin, verlor ihren Job, ihre Gülen-Schule wurde geschlossen.

Da sie ihre Miete nicht mehr bezahlen konnten, zogen sie zu den Eltern der Frau in eine andere Stadt. Dort suchte die Polizei im Dezember 2016 nach Ufuk Yilmaz, der unterwegs auf Arbeitssuche war. Seiner Frau sagten die Polizisten, ihrem Mann stehe ein Haftbefehl bevor. Nach Aussage der früheren Nachbarn ist wenig später die Polizei in Yilmaz' alte Wohnung in Ankara eingedrungen, auch seine beiden Autos seien beschlagnahmt worden.