Skifahrer David Ketterer Ein Berserker wird zum Ersatzfelix

Neue Bestleistungen im Visier: Slalomfahrer David Ketterer will sich Weltcup beweisen.

(Foto: Kalle Parkkinen/imago/Newspix24)
Von Marius Buhl

Neulich, beim Weltcup-Slalom in Levi, erschien ein junger Deutscher bei der Fotostelle des internationalen Skiverbands. Er sei neu, sagte der Deutsche, und müsse noch sein Foto machen lassen. Jenes Foto, das die Fernsehsender einblenden, ehe sich ein Skirennfahrer auf die Piste katapultiert, links unten am Bildschirm, ohne Helm, ohne Brille, damit ihm die Zuschauer ins Gesicht blicken können. Der junge Deutsche war vorbereitet.

Die Haare hatte sein Mitbewohner ihm blond gefärbt. Er hatte sich einen Schnauzbart stehen lassen - und diesen schwarz gefärbt. Bei ihm war die US-Skifahrerin Resi Stiegler, die ihm noch die Frisur verwuschelte. Dann grinste der junge Deutsche.

David Ketterer, 24, aus Villingen-Schwenningen ist Skirennfahrer. Der Plan sah eigentlich vor, dass er ein paar Jahre im Schatten eines Felix Neureuthers und eines Stefan Luitz' Erfahrung sammeln soll. Nun liegen Luitz und Neureuther im selben Krankenhaus, beide mit Kreuzbandriss. Und der Blick wird plötzlich frei auf die Talente dahinter. Und auf deren Geschichten. David Ketterer mag ein lustiger Kerl Mitte zwanzig sein. Im Leben aber hat er deutlich mehr durchgemacht, als sein Humor und sein Alter es erahnen lassen.

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Als vor zwei Wochen der 17-jährige Deutsche Max Burkhart bei einem Nachwuchsrennen in Lake Louise in Kanada ums Leben kam, postete Ketterer ein Bild von Burkhart bei Instagram, darunter schrieb er: "Ich hoffe, mein Bruder hat dich schön begrüßt da oben. Ihr beide fahrt jetzt zusammen Ski im Paradies."

Ketterers Bruder Samuel starb am 5. September 2005. Er saß in einer Gondel in Sölden, als ein Hubschrauber einen Betonkübel fallen ließ, der aufs Seil krachte. Samuel fiel aus der Gondel und starb am Gletscher. David erfuhr davon am Telefon.

Nur wenige Tore fehlten zum Traumstart

"Wir haben das als Familie verarbeitet", sagt Ketterer. Neulich teilte er bei Facebook ein Bild aus Kindheitstagen, darauf er und seine drei Brüder, auch Samuel. Dazu der Text: "Still the team". Die Familie gebe ihm Halt, wenn er den Boden zu verlieren drohe, sagt er. Jedes Jahr, zum Jahrestag des Unglücks, fahren sie zusammen nach Sölden. Dort steht ein Gedenkstein, zwei betende Hände, auch einige Angehörige der acht anderen Opfer kommen, dazu die Betreiber der Bergbahnen. "Da ist über die Jahre ein freundschaftliches Verhältnis gewachsen", sagt David Ketterer. Der österreichische Wintersportort Sölden ist jetzt sein Sponsor bei den Weltcuprennen.

Im Training vor dem Slalom in Levi fuhr David Ketterer keine besonders schnellen Zeiten. Der Hang erschien ihm zu flach, er mag es steiler. Bei hohem Tempo kann er den Ski unglaublich schnell um die Kurven drücken, im Flachen fehlt ihm manchmal das Gefühl. Er schaute sich die Fahrten des Briten Dave Ryding an. Bei jedem Tor beschleunigte Ryding, indem er das Gewicht früh auf den inneren Ski verlagerte. Wie ein Nitro-Boost beim Autorennen, dachte sich Ketterer - und nahm sich für das Rennen ähnliches vor.