Katalonien gegen Spanien Eskalation eines Konflikts

Zeigt sich unnachgiebig im Ringen um die Einheit Spaniens: Ministerpräsident Mariano Rajoy, hier bei einem Wahlkampfauftritt in Katalonien.

(Foto: AFP)

Die per Zwang angeordnete Neuwahl steht am Ende einer langen Spirale gegenseitiger Provokationen zwischen spanischer Zentralregierung und Katalanen. Eine Chronologie.

Von Karin Janker, Barcelona

Die unnachgiebige Haltung des konservativen spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy hat die Auseinandersetzung mit Katalonien in den vergangenen Jahren befeuert. Doch der Konflikt reicht weit zurück. Die Spannungen zwischen Madrid und Barcelona haben historische Gründe, die Schärfe im Ton allerdings ist neu. Eine Chronologie.

Im 18. Jahrhundert: Beginn der Schmach

Der katalanische Nationalfeiertag am 11. September erzählt eine blutige Geschichte: Am 11. September 1714 kapitulierte die Stadt Barcelona nach einem verheerenden Angriff durch die spanische Krone. Katalonien hatte im Spanischen Erbfolgekrieg den habsburgischen Thronprätendenten unterstützt. Damals verlor Barcelona seine angestammte Rechtsverfassung. Der Nationalfeiertag erinnert noch immer an diese Schmach, die sich tief ins kollektive Bewusstsein gegraben hat.

Im 19. Jahrhundert: Ursprung der gehässigen Hymne

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand die katalanische Hymne, die vom Bauernaufstand im Jahr 1640 handelt. Der Text zeugt von der Abscheu gegen Madrid und das von ihm repräsentierte Kastilien, das als "protzig" und "hochmütig" bezeichnet wird. Schon hier findet man die vage Ankündigung einer Unabhängigkeit: "Es wird die Zeit kommen, in der wir unsere Ketten zersägen."

"Im Notfall müsste man verfassungswidrig handeln"

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1936-1939: Spanischer Bürgerkrieg

Während des Spanischen Bürgerkriegs war Katalonien die Hochburg der Republikaner und der Linken, die gegen den Faschismus kämpften. Schon zuvor hatten die Katalanen 1932 nach der Ausrufung der Republik eine erste Autonomie erlangt. Unter anderem sollte ihre kulturelle und sprachliche Unabhängigkeit geschützt sein. Die Autonomie gilt - mit einer Unterbrechung - bis zum Jahr 1939, in dem Francos Truppen Katalonien erobern. Im Franquismo ist jede Äußerung eines katalanischen Nationalismus verboten und wird brutal verfolgt.

1950er und 60er Jahre: Langsames Erstarken der katalanischen Bewegung

Mitte des 20. Jahrhunderts wird das katalanische Streben nach Demokratie und Autonomie immer stärker. Der Antifranquismus beginnt zu wachsen. Mit der Verfassung von 1978 wird nach dem Ende der Franco-Diktatur in Spanien eine freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung geschaffen; diese wird auch in Katalonien mehrheitlich angenommen.

1979 und 2006: Autonomiestatut verspricht Freiheit

Während des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie erhalten die Katalanen in einem Autonomiestatut weitgehende Rechte zur Selbstverwaltung und sprachlichen wie kulturellen Unabhängigkeit. Dieses Statut wird im Jahr 2006 überarbeitet - und in der Folge von den Parlamenten angenommen, von den Katalanen in einem Referendum bestätigt und von König Juan Carlos unterzeichnet. Trotzdem bleibt das katalanische Autonomiestatut Kristallisationspunkt für Konflikte zwischen Madrid und Barcelona: Trotz der Bestätigung durch den König wird es von der konservativen Volkspartei Partido Popular (PP) kritisiert und torpediert.

2010: Verfassungsgericht annulliert das Autonomiestatut

Auf Einspruch der Volkspartei hebt das spanische Verfassungsgericht das Autonomiestatut auf. PP-Chef Mariano Rajoy hatte sich unter anderem an der Präambel gestört, in der von einer "katalanischen Nation" die Rede war. In der Neufassung des Statuts war auch vorgesehen, dass der Großteil des katalanischen Steueraufkommens von Barcelona selbst verwaltet werden kann, ähnlich wie im Baskenland. Nach der Annullierung des Statuts bleibt alles beim Alten: Barcelona muss weiterhin mehr als 90 Prozent seiner Steuern an den spanischen Finanzminister abführen, der sie dann verteilt.

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2011: Folgen der Wirtschaftskrise erschüttern Spanien

Im Jahr 2011 wird nicht nur Rajoy zum spanischen Ministerpräsidenten gewählt. Es ist auch das Jahr, in dem die Arbeitslosigkeit in Spanien auf mehr als 20 Prozent ansteigt. Katalonien bleibt auch während der Krise eine der wirtschaftsstärksten Regionen des Landes. Die Regierung in Barcelona führt nun ökonomische Argumente für eine finanzielle Autonomie ins Feld. Der Streit über die Steuereinnahmen ist vergleichbar mit Diskussionen über den Länderfinanzausgleich in Deutschland. Die Regierung in Madrid bleibt hart.

20. September 2012: Erstmals offene Eskalation

An diesem Tag ist der damalige katalanische Regionalpräsident Artur Mas zu Gesprächen mit Rajoy in Madrid. Beide sind sich einig, dass Sparen unvermeidlich sein wird. Mas schlägt vor, über eine Reform des Finanzausgleichs zu sprechen, da dieser Katalonien übermäßig belaste. Rajoy blockt ab: Dieses Thema stehe nicht zur Debatte, erst müsse die Krise bewältigt werden. Nach diesem Tag kippt die Stimmung: Nun betreibt die katalanische Regierung erstmals offen separatistische Politik. Das Schlagwort von der "Ausplünderung Kataloniens" macht die Runde.

9. November 2014: Erste Abstimmung über Unabhängigkeit

Erstmals stimmen die Katalanen darüber ab, ob sie sich vom spanischen Zentralstaat lossagen wollen. Eine überwältigende Mehrheit der Abstimmenden spricht sich für die Unabhängigkeit aus, nämlich etwa 80 Prozent. Allerdings nehmen nur etwa 40 Prozent der Wahlberechtigten an dem Votum teil. Die Abstimmung wird vom spanischen Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt.

27. September 2015: Katalanen wählen Puigdemont zum Regionalpräsidenten

Die Parlamentswahlen 2015 sollen "plebiszitären Charakter" haben, die Unabhängigkeit ist eines der dominanten Themen des Wahlkampfs. Puigdemont geht als neuer Regionalpräsident aus ihnen hervor - allerdings nur, weil er sich auf ein Bündnis mit der linken Candidatura d'Unitat Popular (CUP) einlässt. Deren erklärtes Ziel: die Unabhängigkeit Kataloniens, notfalls auch einseitig und ohne Zustimmung aus Madrid. Seit der Wahl sind die Sezessionisten im Regionalparlament in Barcelona in der Mehrheit.