Der Fehmarn-Belt-Tunnel ist das mächtigste Infrastrukturprojekt Nordeuropas - und Anlass für einen kalten Krieg zwischen Ingenieuren und Ökologen.
Dieser Frieden, der über dem Meer vor Fehmarn liegt, ist groß und tröstlich. Träge schlägt die Ostsee ans Ufer. In der Ferne bewegt sich der Grenzverkehr. Vom Hafen bei Puttgarden steuert langsam und scheinbar lautlos die nächste Fähre hinüber nach Lolland, Dänemark, wo sie Autos, Busse, Zugwaggons, Menschen ausspucken und auf den Weg Richtung Kopenhagen schicken wird. Die Fähre, die Deutschland ansteuert, ist bestimmt auch schon unterwegs. So geht es hier tagaus, tagein, seit Jahrzehnten. Fähren kommen und fahren im Fehmarnbelt. Aber bald soll hier etwas anders werden. Zwischen den Inseln ist ein riesiger Tunnel durch den Fehmarnbelt geplant, den die einen als Heilsbringer, die anderen als Ungeheuer sehen. Muss das sein?
Die feste Fehmarnbeltquerung ist das derzeit mächtigste Infrastrukturprojekt Nordeuropas. 7,4 Milliarden Euro sind allein für den Tunnel veranschlagt, der Schienen- und Autoverkehr über die knapp 18 Kilometer zwischen Lolland und Fehmarn durchs Meer führen soll. Seit 2008 regelt ein Staatsvertrag zwischen Deutschland und Dänemark das Projekt. Es soll das weltweit längste Bauwerk seiner Art werden und Skandinavien näher an Mitteleuropa heranrücken. Für Dänemark ist die feste Fehmarnbeltquerung der letzte logische Schritt zu Vollendung eines nordischen Transportkorridors, nachdem in den Neunzigerjahren Verbindungen über den Storebelt zwischen West- und Ostdänemark sowie über den Öresund zwischen Dänemark und Schweden wuchsen.
Erdgas durchs Meeresschutzgebiet
Durch den neuen Tunnel könnte man in zehn Minuten vom dänischen zum deutschen Ufer gelangen statt in 45 Minuten mit dem Schiff. Wirtschaftsexperten schwärmen von den Chancen für Handel und kulturellen Austausch, Dänemarks staatliche Baugesellschaft Femern A/S plant mit Akribie und fast jugendlicher Begeisterung das komplexe Unterfangen, eine Betonröhre in den welligen Ostseeboden zu legen.
Wird die Baustelle die streng geschützten Schweinswale beeinträchtigen?
Vorerst allerdings ist der Tunnel noch eine Vision, die Experten und Wissenschaftler in Plänen, Prognosen und Animationen niedergelegt haben. Die Deutungen sind dabei durchaus unterschiedlich, denn das Projekt hat Gegner, vor allem in Deutschland. Naturschützer, Anwohner und Tourismus-Schaffende in der Region Ostholstein fürchten um diesen schönen Flecken Erde, wenn der Tunnel nebst moderner Hinterlandanbindung mehr Verkehr denn je durch die malerische Landschaft leitet. Protest und Einwendungen verzögern das Vorhaben. 2015 hätte Femern A/S schon mit den Bauarbeiten beginnen wollen, aber weil die Pläne auf deutscher Seite überarbeitet werden mussten, verzögert sich der Start: 2020 ist jetzt das angepeilte Datum, damit 2028 alles fertig ist. Ob das klappt?
Es herrscht eine Art kalter Krieg um den Tunnel, in dem es nicht nur um gegenläufige Interessen geht. Sondern auch um die Frage, ob Bau und Biologie wirklich so ineinanderlaufen können, dass der Mensch nicht die nächste Natursünde verursacht.
In der Kopenhagener Zentrale von Femern A/S haben sich drei ebenso freundliche wie entschlossene Männer um einen Konferenztisch gesetzt. Man kann sagen: drei Tunnelbauer. Henrik Christensen ist der Technische Direktor des Unternehmens, Anders Bjørnshave leitet die Umweltabteilung und Ajs Dam fungiert als stellvertretender Projektleiter. Sie alle sind seit Jahren damit beschäftigt, die feste Fehmarnbeltquerung vorzubereiten und Skeptiker davon zu überzeugen, dass das moderne Ingenieurswesen kein Feind der Natur ist.
"Die Herausforderung besteht darin, den Tunnel so umweltfreundlich wie möglich zu bauen", sagt Christensen. Geplant ist ein sogenannter Absenktunnel, kein Bohrtunnel also, wie er zum Beispiel unter dem Ärmelkanal zwischen Frankreich und England verläuft. Am Meeresboden will Femern A/S auf der Strecke zwischen Rødby und Puttgarten eine 16 Meter tiefe und 60 Meter breite Grube ausheben lassen. In dieser sollen dann die mächtigen Tunnelelemente aus Beton für eine vierspurige Autobahn und eine zweigleisige Bahnstrecke versenkt und zugeschüttet werden, sodass man sie im Meeresboden nicht mehr sieht.