Der Spargedanke bildet sich in der aufgestockten Regierungsmannschaft nicht ab. Es gibt aber interessante und sinnvolle Lösungen – und bedenkliche Entwicklungen
Sebastian Kurz, der nach seiner Angelobung am Montag der 14. Kanzler der Zweiten Republik sein wird, hat in einem ersten Statement nach seiner Einigung mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache angekündigt, beim System sparen zu wollen, nicht bei den Menschen da draußen. Der vornehme Spargedanke wurde in der Regierung jedenfalls nicht umgesetzt. Das künftige Regierungsteam wurde im Vergleich zur bisherigen rot-schwarzen Mannschaft erst einmal aufgestockt: Ein Kanzler, 13 Minister und zwei Staatssekretäre, das ist ein Kopf mehr in der Regierung. Mag sein, dass es eine größere Regierung braucht, um besser sparen zu können, ganz schlüssig scheint die Rechnung aber nicht zu sein.
Ursprünglich hatte Kurz ein Kabinett mit zwölf Ressorts angepeilt, da ist er dann doch deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Der ÖVP-Chef hatte schließlich doch die Wünsche und Begehrlichkeiten aus den Bünden und Ländern zu bedienen gehabt, die Ressortaufteilung beziehungsweise Zusammenlegung hat dann offenbar doch nicht so funktioniert, wie er sie angedacht hatte. Auch die angepeilte Frauenquote von 50 Prozent Ministerinnen verfehlte Kurz deutlich, die türkise Reichshälfte ist in der Regierung mit fünf Männern und drei Frauen abgebildet, dazu kommt mit Karoline Edtstadler eine Staatssekretärin, die den blauen Innenminister Herbert Kickl beaufsichtigen soll.
Fehlende Kompetenzen
Josef Moser, der ehemalige Rechnungshofpräsident, wurde doch nicht Finanzminister, da waren wohl die innerparteilichen Widerstände in der vielleicht nicht ganz so neuen Volkspartei zu groß. Moser wird Justizminister und erhält dazu die Agenden Staatsreform. Wie Moser eine Reform des Bundesstaates und des föderalistischen Systems, unter dem die Republik mitunter auch zu leiden hat, umsetzen soll, ist noch unbekannt. Aus eigener Kraft und mangels der Kompetenzen, die zu einer Umsetzung notwendig sind, wird Moser das nicht schaffen können, er wird dabei auf die Rückendeckung von Regierungschef Kurz und maßgeblich auch auf Hartwig Löger, den neuen Finanzminister, angewiesen sein. Der Hebel zu tiefergehenden Reformen ist das Geld und dessen Verteilung.
Was die Ressortaufteilung betrifft, gibt es einige Neuerungen, und die erscheinen durchaus sinnvoll: Die Zusammenfassung der Bereiche Bildung und Wissenschaft samt aller Schul- und Universitätsbereiche sowie der Kindergärten ist jedenfalls ein Fortschritt. Dafür zuständig sein wird Heinz Faßmann. Der Migrationsexperte und Vorsitzende des Integrationsbeirats kann in dieser Position sicher einiges weiterbringen.
Spannungsfeld Landwirtschaft und Umwelt
Elisabeth Köstinger ist eine Bauernbündlerin durch und durch, sie wird als Ministerin für Landwirtschaft, Umwelt und Tourismus zuständig sein. Das nennt sich jetzt "Nachhaltigkeit". Von Köstinger kann man Lobbyismus für die Landwirtschaft erwarten, dass dies nicht immer mit dem Umweltschutz kompatibel sein muss, zeigt die Debatte über den Umgang mit dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. Dass Köstinger als Nationalratspräsidentin im Parlament zwischengeparkt und jetzt in die Regierung geholt wird, zeugt nicht unbedingt von großem Respekt vor dem Parlamentarismus.
Für Wirtschaft und Digitales wird die frühere A1-Chefin und IT- und Telekommunikationsmanagerin Margarete Schramböck zuständig sein, sie ist neben Hartwig Löger eine der Überraschungskandidaten der neuen Regierung. Dass Digitales aufgewertet wird, ist grundsätzlich positiv zu sehen.
Frauen und Familie
Auf ein eigenes Familienministerium wollte Kurz ursprünglich verzichten, nun wird es eines für Frauen, Familie und Jugend geben. Wie das genau ausgestattet sein wird, was es für Budgetmittel und Kompetenzen erhalten wird, bleibt noch abzuwarten. Die Molekularbiologin Juliane Bogner-Strauß scheint auf den ersten Blick dafür keine schlechte Wahl zu sein.
Was die freiheitlichen Ressorts anbelangt, sticht vor allem ins Auge, dass Innen- und Verteidigungsministerium in der Hand einer Partei sind, das erscheint äußerst problematisch, läuft damit nicht nur die Kontrolle über alle bewaffneten Einheiten, sondern auch die über alle Nachrichtendienste des Landes zusammen. Da erscheinen Herbert Kickl im Innen- und Mario Kunasek im Verteidigungsministerium nicht unbedingt vertrauenserweckend. Immerhin gibt es kein eigenes Heimatschutzministerium.
Querschnitt Integration
Die Integration ist in der Ressortverteilung nicht mehr ausdrücklich abgebildet. Auch wenn man davon ausgehen darf, dass Integration eine Querschnittsmaterie ist, die alle Ressorts betreffen sollte, ist es bedenklich, dass es dafür keine klare Zuständigkeit mehr gibt. Offenbar soll die von den Freiheitlichen nominierte Karin Kneissl im Außenministerium das mitnehmen, das lässt einen recht restriktiven Zugang zu diesem Thema erwarten.
Dass ÖVP und FPÖ keine linksliberal ausgerichtete Koalition bilden würden, war zu erwarten, das bildet sich in der Regierungsaufstellung und deren Schwerpunktsetzung ab. Auch wenn einiges in der Aufteilung nicht stimmen mag, wie insbesondere Innen- und Verteidigungsministerium, braucht es für eine faire und ausgewogene Beurteilung Zeit. Die werden wir uns nehmen. Die Regierung hat sie nicht. Sie muss Taten setzen und rasch zur Umsetzung kommen. (Michael Völker, 16.12.2017)