"Me too"-Debatte US-Serien hatten angedeutet, was hinter der "Me too"-Debatte steckt

In ihrer Serie "Girls" hat Lena Dunham sehr eindrücklich gezeigt, wie manche Männer ihre Macht missbrauchen.

(Foto: 2016 Home Box Office, Inc. All rights reserved)

Schon vor dem Weinstein-Fall haben Serien wie "Girls" und "Master of None" gezeigt, wie Männer im Showgeschäft ihre Macht missbrauchen. Doch da konnte man die Geschichten noch für Fiktion halten.

Von Anna Fastabend

Es beginnt als Situation, wie sie überall und immer vorkommt. Die Radioproduzentin Kate aus der Serie One Mississippi möchte ein neues Format mit ihrem Kollegen besprechen. Sie betritt sein Büro und setzt sich an den Schreibtisch. Was dann folgt, ist alles andere als normal. Während sie ihre Idee vorstellt, holt sich der Kollege, von der Tischplatte verdeckt, einen runter. Sie sieht die eindeutigen Armbewegungen und wie er sich, nachdem er gekommen ist, ein Taschentuch nimmt. Alles geht so schnell, dass sie keine Chance hat, zu reagieren.

Man muss zwangsläufig an den Komiker Louis C.K. denken, der kürzlich zugegeben hat, vor fünf Frauen gegen deren Willen masturbiert zu haben. Er ist eine der vielen US-Showgrößen, denen ihr übergriffiges Verhalten, das von sexueller Belästigung bis zu Vergewaltigung reicht, nach dem Weinstein-Skandal und der folgenden "Me Too"-Bewegung zum Verhängnis geworden ist. Im Nachhinein ist es erschreckend, dass C.K. für seine Serie Louie über einen frustrierten und triebgesteuerten Komiker von allen Seiten so viel Lob bekam. Noch erschreckender ist, dass damit vor allem die Sicht eines Täters - wenn sie auch stets selbstkritisch daherkam - so lange das Feld bestimmte.

Die Serie zur #MeToo-Debatte

Spike Lee hat aus seinem Kultfilm "She's Gotta Have It" von 1986 eine Serie gemacht. Damals schockierte die gelebte sexuelle Freiheit seiner weiblichen Hauptfigur. Heute ist es der Alltagsseximus, der ihr immer noch entgegenschlägt. Von Benedikt Frank mehr ...

Doch auch andere Serienmacher haben sich bereits lange vor der "Me Too"-Debatte mit sexueller Belästigung in der Unterhaltungsbranche beschäftigt und damit auf das massive Problem aufmerksam gemacht: die Komikerin Tig Notaro mit One Mississippi (Amazon), der Komiker Aziz Ansari mit Master of None (Netflix), die Autorin und Regisseurin Lena Dunham mit Girls (HBO) und die Komikerin Maria Bamford mit Lady Dynamite (Netflix). Die vier autobiografisch inspirierten Serien veranschaulichen das perfide System, in dem Männer ihre Macht missbrauchen, ihre Opfer sich nicht wehren können, Mitwisser aus unterschiedlichen Gründen schweigen und Streamingplattformen nach genau diesen Geschichten gieren. Die New York Times hat sich kürzlich dem Thema gewidmet und dargestellt, wie sich Notaro, Ansari und Dunham an ihrem moralischen Dilemma als Beobachter abarbeiten. Klar ist: All die krassen Geschichten vor allem aus Hollywood, die derzeit die Welt empören, sie waren in unzähligen aktuellen Serien alle längst erzählt; doch bevor in Zeitungen darüber gesprochen wurde, berichteten die Kreativen auf ihre Weise.

Früher war das Thema oft nur ein kleiner Witz am Rande. Heute spielt es eine große Rolle

Waren sexuelle Übergriffe in früheren Serien wie 30 Rock von Komikerin Tina Fey, in der sie ihren Alltag als Chefautorin der Comedy-Show Saturday Night Live verarbeitet, zumeist in harmlose Gags verpackt, konnten die neuen Serienmacher dem Problem durch ein auch schon vor "Me Too" gewachsenes öffentliches Interesse am Thema Sexismus und sexuelle Gewalt einen höheren Stellenwert einräumen. Hinzu kommt, dass ihr Leidensdruck aufgrund der Vielzahl der Vorfälle über die Jahre gestiegen sein dürfte. Und wenn sie schon nicht öffentlich darüber sprechen konnten, dann wenigstens in ihrer Kunst. Sobald sie in ihren Serien auf sexuelle Belästigung zu sprechen kommen, wird es ernst. Statt nur zu unterhalten, scheinen sie hier vor allem sensibilisieren zu wollen.

Lena Dunham erzählt mit ihrer Girls-Folge "American Bitch", wie manipulativ Täter unter Umständen sein können. Die von ihr verkörperte Hauptfigur Hannah wird von einem berühmten Schriftsteller zu ihm nach Hause eingeladen. Er möchte sie für einen Artikel zur Rede stellen, in dem sie ihn dafür kritisiert, dass er mehrere Frauen zum Oralverkehr gezwungen haben soll. Ihm gelingt es, sich so glaubhaft als Opfer von enttäuschten Groupies darzustellen, dass sie seiner Version irgendwann glaubt. Erst als er neben ihr liegend seinen Penis aus der Hose holt, erkennt sie, dass er auch sie manipuliert hat.